17.März 2010
2 Rollen Absperrband in Bremen gefunden,
oder: Honigpumpe am Arbeitsplatz
Von unserer Kunstredakteurin Katharina Loewe
Plötzlich lagen sie vor mir. 2 niegelnagelneue Rollen rot-weißes Absperrband, in Höhe Osterdeich / Altenwall. Nun kann man fragen: Ja, und? Was interessieren 2 Rollen Absperrband? Wird wohl jemand verloren haben! So einfach wollte ich mir die Sache aber nicht machen, zumal mir spontan einfiel, dass rot-weißes Absperrband ja wohl eine enorme gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung hat.
Welcher Schaden könnte möglicherweise entstehen, wenn ich die beiden Rollen einfach liegen lasse und sie nicht als Fundsache melde, so ging es mir durch den Kopf. Also griff ich mir die Fundstücke und verstaute sie erst einmal in meinem Rucksack mit der großen Wolfstatze drauf – nicht um sie mir heimlich anzueignen, sondern um zu Hause in Ruhe darüber nachzudenken, wie ich mit den Dingern weiter verfahren will. Gesagt, getan. In meiner Single-Wohn- Küche legte ich die beiden Schmuckstücke auf den Wohnküchentisch und betrachtete sie still und kontemplativ. Sofort erfüllten mich die beiden Rollen mit sehr assoziativen Bildern. Dieses Rot und dieses Weiß in unterschiedlich zusammen gelegten Positionen erzeugt in der Tat heftige Farbphantasien, und nicht nur diese. Wie würde es sein, wenn sie nun auch noch ausgepackt und ausgerollt vor mir lägen – wäre die Sinnlichkeit dann nicht noch um ein Weiteres gesteigert. Ich musste mich sehr beherrschen, es nicht zu tun. Nun erinnerte ich mich wieder an meine sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen als Finderin von Fundstücken. Du musst die Bänder abgeben, so disziplinierte ich mich selbst. Nur wo, bei wem? Ich rief, nachdem ich die Telefonnummer in dem roten Bremer Behördentelefonbuch, das ich kurzfristig meiner Bekannten Claudia ausgeliehen hatte (nach 8 Monaten hatte sie es mir zurück gegeben), gefunden hatte, noch von meinem Wohnküchentisch aus mit meinem mobilen Telefon beim Fundamt an und meldete die Fundsache. Hier wurde ich allerdings in sehr unästhetischer, verständnisloser Weise abgefertigt. Ich könne die Rollen ja vorbei bringen, „wir legen die dann in der Kammer Kleinfunde ab, wo die Sachen jahrelang nicht abgeholt werden“. Ob es nicht besser sei, so die Fundbeamtin, die „Plastikdinger“, wie sie die Bänder respektlos nannte, einfach in den gelben Sack zu packen und von der Abfuhr mitnehmen zu lassen. Eine andere Möglichkeit sei, dass ich eigene Ermittlungen aufnehme bei relevanten Absperrbandnutzern. Sie nannte als mögliche Adressen: Polizei, Parkplätze (z.B. Weser-Stadion), Baustellen und andere schnöde Adressen. Ich beendete das schnöde Amtgespräch mit den Worten: ja, ja, will mal sehen. Und dabei schoss mir wie eine göttliche Eingebung in den Kopf, dass wir in Bremen doch einen Rot-Weißes-Absperrband-Künstler unser eigen nennen können. Jetzt sah ich die Events des Künstlers wieder vor mir – ich hatte sogar vor Jahren in dieser Zeitung darüber geschrieben. Nur sein Name wollte mir so schnell nicht ins Gedächtnis kommen, obwohl ich doch für mich in Anspruch nehmen kann, die Kunstszene hier in Bremen einigermaßen gut zu kennen. Gab es nicht irgendein besonders äußeres Kennzeichen, das mir die Namensfindung erleichtern könnte. Nein, lange grübelte ich, mir erschien nichts. Dann am nächsten Morgen der persönliche Aha-Effekt: Fahrrad, Mütze, Aktentasche, Jackett. Ich rief ihn sofort an. Kann schon sein, dass ich die Dinger verloren habe, so sein Reflex – wahrscheinlich auf dem Weg Baustelle Weser-Stadion zurück mit dem Fahrrad auf dem Osterdeich in mein Heimatdorf. Er habe an der Ampel Altenwall scharf bremsen müssen, weil gerade der Bus mit der Marine-Kapelle aus Wilhelmshaven vorbei fuhr. Dabei seien ihm die Rollen wohl aus der offenen Gepäcktasche gehüpft. Er habe den Verlust gar nicht bemerkt, weil er inzwischen so viele Rollen zu Hause lagerte, da käme es auf ein oder zwei nicht an. Ich solle doch selbst damit etwas Künstlerisches machen. Denn schließlich habe Josef Beuys schon gesagt: Alles ist Kunst, sogar die Honigpumpe am Arbeitsplatz. Bitte?
Mittwoch 10. November 2010
MARIZA VERZAUBERT IN LEVERKUSEN
Katharina Loewe berichtet von den Leverkusener Jazztagen
Oh, gente da minha terra
Zum erst Mal in meinem Leben reise ich nach Leverkusen. Leverkusen, was dachte ich immer dabei? Eigentlich immer nur: Bayer Leverkusen, Aspirin. Oder: Bayer Leverkusen, Rudi Völler und Rainer Calmund. Leverkusen, das stand bisher auch immer für: Vorsicht an Gleis 5 oder Vorsicht an Gleis 2, Schnelldurchfahrt eines Fernzuges. Auf den Fahrten nach Köln oder weiter in den Süden immer volles Tempo mit dem ICE oder dem IC durchgerauscht. Im Blick zurück blieben immer die riesigen Straßenbeleuchtungen für das Autobahnkreuz, die Flutlichtmasten für das Stadion und dieses überdimensionale Bayerkreuz vor den Bayerwerken.
Nun also bin ich nach dem Umsteigen in Düsseldorf ausgestiegen in Leverkusen. Mein Ziel: die 31. Leverkusener Jazztage und der Auftritt der inzwischen zur Portugiesischen Nationalheiligen gewordenen Sängerin Mariza, der legitimen Nachfolgerin der legendären Amalia Rodrigues. Und tatsächlich: schon kurz nach dem Aussteigen aus der S6 wieder dieser Warnruf durch die Lautsprecher des kleinen Leverkusener Bahnhofs. Vorsicht an Gleis 5, Schnelldurchfahrt eines Fernzuges. Und schon rauscht wie ein Pfeil der nächste ICE nach Köln durch. Also, ich war abgestiegen in der tiefsten Rheinischen Provinz. Mein Fußweg durch die „Innenstadt“ vom Bahnhof zu meinem Hotel bestätigte den Provinzeindruck. Nichts städtisch Gewachsenes, alles neu und künstlich, irgendwie ohne Charme, ohne Flair. Ganz Leverkusen eine künstliche Einkaufsstadt, nicht viel anders als andere deutsche Provinzstädte. Eine Einschränkung: Der Italiener, bei dem ich nach meinem Hotelbezug aß, Mille Lire, mitten drin in dieser Einkaufsstadt, große Klasse. Mein Herausgeber würde urteilen: mindestens 6 von 7 möglichen Gummiadlern. Aber wir wollen hier ja nicht über Gummiadler reflektieren, sondern über die Jazztage und über Mariza.
Wie passt das zusammen: Jazztage und Portugiesischer Fadogesang? Ganz einfach: Die Leverkusener Jazztage, die seit 30 Jahren von einem eifrigen Verein, von vielen potenten Sponsoren – natürlich unter anderen auch Bayer – und dem WDR, der alles aufzeichnet, in dieser Rheinischen Kleinstadt veranstaltet werden, stellen die 10 Jazztage, die immer im November stattfinden, jedes Jahr unter ein anderes Thema. In diesem Jahr stand die Gitarre im Mittelpunkt. Und wer die Musik von Mariza kennt, der weiß natürlich sofort, dass neben der grandiosen Stimme die wunderbaren Portugiesischen Gitarren die Schönheit dieser Musik ausmachen. So traten dann am Tag vor dem Auftritt von Mariza, also an meinem Ankunftstag in Leverkusen, die ehemaligen und vielleicht ja auch noch jetzigen Gitarrengötter Paco di Lucia & Band sowie Al Di Meola & Band im Forum Leverkusen, dem Veranstaltungsort, auf. Bereits hier konnte ich beobachten, dass die Konzertbesucher aus allen Teilen des Westens nach Leverkusen anreisen, sogar Nummernschilder aus Holland, Belgien und Frankreich waren zu sehen!
Das Forum Leverkusen. Offensichtlich auch ein Ding von Bayer. Ein schwarzer Rundbau direkt an der Autobahn und an der Bahnstrecke. Direkt nebenan das Hotel Best Western, in dem ich gewohnt habe für zwei Nächte. Über dieses Hotel hätte ich einen eigenen Bericht anfertigen können, will darauf aber verzichten zu Gunsten des freundlichen und bemühten Rezeptionsmitarbeiters, der mittags dort war, der abends dort war, und der am nächsten Morgen wieder da war. Auf jeden Fall bin ich heil wieder herausgekommen aus dem Hotel und hatte sogar noch das Vergnügen, am Abreisetag der Künstlerin, die auch in dem „Hotel“ wohnte, am Frühstücksbufett zu begegnen. Kommen wir zurück zum Forum Leverkusen. Dieser Mehrzweckbau, in dem auch die Leverkusener VHS und weitere Einrichtungen untergebracht sind, ist ein tolles Konzertgebäude. Im Zentrum ein unbestuhltes Terrassenforum, in dem die Hauptkonzerte stattfinden, daneben mehrere kleine Clubräume für kleinere Events.
Im Forumssaal auch Gastronomie, alles was das Herz begehrt. Von einer geordneten Konzertorganisation, sagen wir einmal: wie in der Bremer Glocke, kann hier nicht die Rede sein. Vorne die hochprofessionelle Bühne, dann terrassenartig Stehplätze für ca. 2000 Besucher, hinten und seitlich: Sekt, Bier, Wein, Brezel und Brötchen. Alles läuft durcheinander, alles quatscht durcheinander, alles fließt, alles ist in Bewegung. Wie soll hier ein Konzert eines Weltstars ordentlich ablaufen?
Dafür sorgt die Künstlerin selbst. Nach dem Vorkonzert von Carmen Souza von den Kapverdischen Inseln, jetzt Mariza. Sie zieht sofort alle Blicke und alle Aufmerksamkeit auf sich allein durch ihren Auftritt. Eine kleine, schmächtige Frau, die sich auf hohe Plateauschuhe stellt und sich in weite Kleider hüllt. Die Haare kurz geschnitten und lockig blond gefärbt. Die ersten Töne, die sie durch die hervorragende Tontechnik in das Forum hinüber, herunter, hinein singt, fesseln alle sofort. Die Gitarrenklänge ihrer drei Spitzengitarristen untermalen von Anfang an mit diffiziler Intensität den unvergleichlichen Gesang dieser Sängerin. Alle, wie ich, die ihre letzte CD in- und auswendig kennen, waren sofort ergriffen von den Liedern. In den ersten Reihen standen offensichtlich viele junge Portugiesinnen und Portugiesen, die sofort auf Portugiesisch mit ihrem Heiligtum kommunizierten. Es fehlte eigentlich nur noch die Nationalflagge, und alles wäre gewesen wie bei dem großen Konzert vor einigen Jahren im Nationalpark von Lissabon. Über zwei Stunden wunderbare Musik, perfekt vorgetragen mit großem technischen Aufwand, wohl eine Notwendigkeit bei Fernsehaufzeichnungen. Alles ist demnächst im WDR zu sehen. Ich werde es mir sicherlich anschauen, ich kann von dieser „Volksmusik“ nicht genug bekommen. Ich könnte nach diesem Konzerterlebnis doch glatt zur Portugiesin werden und demnächst mitsingen, wenn es von Mariza wieder heißt: „ Oh, gente da minha terra“ (Oh, Menschen meines Landes“).
5/11
Montag 24.Januar 2011
KOMPONISTEN OHNE KOPF UND DIE AMERIKANISCHE OPER
wie Krach zu Musik wird
Axel Brüggemann erklärt es
"Schon das Urzeitbaby hat wahrscheinlich genauso nach seiner Ma-ma gerufen wie wir alle. Wenn Menschen Namen rufen, tun sie das nämlich meist mit den gleichen Tönen. Wenn du auf dem Schulhof Pe-ter oder Ma-rie schreist, benutzt du automatisch den gleichen Tonabstand zwischen den einzelnen Silben. In der Sprache der Musik nennt man den Abstand zwischen zwei Tönen Intervall." (A.Brüggemann)
Der Buchbesprecher hat schon beim Anfassen des Buches und beim ersten Durchblättern einen guten Eindruck von dem Buch. Die Einbanddeckel sind sehr stabil, ja fast hart. Sie sollen ja auch wohl mehrere nächste Generationen durch wechselnde Schülerhände gehen. Innen schönes Papier mit gutem Zeilenabstand und lustigen graphischen Auflockerungen. Genau richtig gemacht für die Augen von Kindern und Jugendlichen. Ja, es ist ein Lehrbuch, ein Musikgeschichtsbuch für Musikschülerinnen und Musikschüler. Liebevoll gemacht und mit einer kind- und jugendgerechten Sprache. Der erwachsene Musiklaie denkt sofort: ach hätte es doch früher in der Mittelschule Achim so ein wunderbares Buch gegeben, dann hätte Wilhelm Petersen in seinem primbesudelten Anzug mit der Geige in der Hand beim Einstudieren von Das Wandern Ist Des Müllers Lust nicht immer rufen müssen: Uli, du brummst, hör' auf zu singen - oder raus! Auch denkt der Musikdilletant sofort beim Queranschauen des Buches: ach, so war das mit der Entwicklung der Musik in den letzten Jahrhunderten. Der Dilletant ist ja ein heimlicher Musikliebhaber, ja fast ein Romantiker der Musik, denn bei schönen Melodien, die ihm gefallen - egal, ob Rock, Klassik, Indipendent, Fado oder Blasmusik von La Brassbanda - kommen ihm die Tränen. Ist das nicht furchtbar? Und hier in diesem Buch wird das nun alles erklärt. Die Emotionen der Musik, die Techniken, die Kommerzialisierungen, die Künstler, das Studium und das Üben, Üben, Üben. Also, das Buch ist schön und der Musiklaie hier, auch der erwachsene, wird beim Lesen noch einmal zum Musikschüler. Das wird ihm auch verwandtschaftlich bei den nächsten Familientreffen weiterhelfen. Denn nach dem kompletten Studium des Buches wird er sicherlich mit der Schwägerin Nr.1, einer Opernsängerin, Kirchenmusikerin (im ländlichen Hemelingen), Hochschullehrerin für Musik und Chorleiterin besser und schlauer musiktheoretisch smalltalken können. Auch wird er vor der Schwägerin Nr. 2, einer äußerst aktiven Klavierlehrerin (im ländlichen Ottersberg) nicht mehr so blöd dastehen, wenn es um Liszt und Chopin geht. Wer von den beiden hatte denn nun was mit George Sands auf Mallorca? Ich muß noch einmal nachschlagen bei Axel B. Und zu guter Letzt werde ich nach der Lektüre des Buches nun auch meinem Schwager Nr.1, einem Konzertgitarristen und Musiklehrer an der Waldorfschule ( im ländlichen Osterholz-Tenever) Paroli bieten können, wenn er mir verklüsern will, dass Cervantes einer der größten Flamenco-Gitarristen des Spanischen Königreiches war. Nun gut, bei anderer Gelegenheit auf einem anderen Sender (fängt mit einem kleinen f an) wurde vom Musiklaien ja bereits die Frage gestellt, ob die unterpriveligierten und unterversorgten Jungs und Mädels, die jetzt ja von Uschi von der Leyen demnächst alle Musik und Sport verordnet und bezahlt bekommen sollen, mit diesem Buch auch etwas anfangen können. Der Laie sagt: in Einzelfällen sicher, für die Jugendlichen aus diesem gesellschaftlichen Armuts-Spektrum, die mit Musik und Kultur in Berührung gekommen sind. Der Großteil dieser Gruppe allerdings, lieber Axel, der den Zugang zu Büchern bisher überhaupt noch nicht gelernt hat; der nicht weiß, wie er den Monat existenziell überstehen soll, wie es in der Zukunft weitergehen soll - dieser Großteil der armen Kinder und Jugendlichen (und Bremen liegt hier im Gegensatz zu Pisa ganz oben an der Spitze) wird sich wohl kaum für dieses schöne Buch interessieren lassen. Schade, aber das ist die gesellschaftliche Wahrheit bei uns! Der musikalische Laie und Dilletant wird wohl das Buch eher seiner Schwipp-Verwandtschaft empfehlen, damit sie es selber lesen und damit sie es ihren Schülern weiterempfehlen können, und damit die Kunst, die Musik und die Kultur in diesen teils heiteren und teils finsteren Zeiten nicht untergehen!
Uli Pelz (aus dem ländlichen Pusdorf)
11/11
Dienstag 08. Februar 2011
ALTE KAISER
Konstantin Wecker zu den Ereignissen in Ägypten
heute auf facebookgypten
Ja, es ist soweit. Darauf haben wir lange gewartet. Endlich einmal wieder schöne Volksaufstände überall. Seit 89, dem "Wir sind das Volk" in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone, mussten wir schmachten und uns mit Liebesliedern, Kinderopern, belanglosen Filmmusiken und Operetten über Wasser halten. Jetzt können wir wieder revolu...tionär loslegen, die alten Kaiser herausholen und neue Kampflieder für das ägyptische, tunesische, jemenitische, algerische Volk trällern. Und hoffentlich bald auch für den gesamten Rest des arabischen und afrikanischen Teils der Erde. Darauf haben diese Menschen doch nur gewartet, dass wir Ihnen in ihrem Freiheitsdrang mit unseren Liedern unter die Arme greifen! Oder? Oder sollten wir vielleicht die Finger davon lassen? Haben die nicht ihre eigenen Lieder dort, wo sie auf die Straße gehen? Haben die möglicherweise ncht sogar intelligente Lyriker und Schriftsteller, Kulturschaffende - Menschen, die ihre eigenen Freiheitstexte und Freiheitslieder herstellen können?
Ulrich Pelz
heute auf facebook
(ÄGYPTEN & WIR)
Liebe Freunde!
Hier meine Notizen zu den großartigen Ereignissen in Ägypten, speziell dazu, was das eigentlich mit uns im Westen zu tun hat. Währenddessen wird in Kairo schon wieder
massenhaft demonstriert! Ich hoffe, die Leute machen weiter, bis Mubarak endlich weg ist - und... wir machen bald mit!
Servus, Euer Konstantin
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Nr.24/12
Dienstag 20.November 2012
BUSS- UND BETTAG 2012
Morgen ist Buß- und Bettag. Wir haben bereits die Liste unserer 7 Untaten eingereicht und hoffen auf die Absolution. Hier unser Sündenregister:
1. Den glorreichen Heimwerker- und Selbstbauaktivitäten der männlichen Nachbarn nicht genügend Beachtung und Lob geschenkt
2. Den ärztlichen Hinweisen zuwider zu wenig Fahrrad gefahren und zu wenig Nordic Walking mit Stöcken hinterherziehen betrieben. Stattdessen zu fett gegessen!
3. Die Bemühungen der Bremer GRÜNEN um eine fahrradgerechte Stadt verächtlich gemacht und nie an der Fahrradzählstation vorbeigefahren. Auch die Ponykarussells nicht
boykottiert, was uns nachträglich noch leid tut, da inzwischen ein Pony tot ist.
4. Einer amtsgerichtlich bestellten Betreuerin für eine pflegebedürftige ältere, demente Dame nicht den ausreichenden Respekt gegenübergebracht und keinerlei eigene
Verantwortung übernommen. Stattdessen nur respektlose Bemerkungen und Kommentare!
5. Die Resolution der IWG Woltmershausen gegen die Schließung von Polizeirevieren in Bremen nicht unterschrieben mit der Begründung, dass die Menge von Polizeirevieren
keinen Einfluss auf die Menge von Straftaten habe. Auch den Zusatz: "Wir wollen ja schließlich nicht in einem Polizeistaat leben" hätten wir uns durchaus ersparen
können!
6. Sozialdemokratischen Ortsamtsleitern, Beiratsmitgliedern und Abgeordneten wegen ihrer Auftritte in den Sozialen Netzwerken kritisch gegenübergestanden. Wir haben
dabei leider die Regel missachtet, dass Sozialdemokraten in Bremen machen können, was sie wollen - und sei es sexistisch oder rassistisch im Internet posten!
7. Bereits nach Ablauf der Saison 2011/2012 für eine Veränderung des Managements beim glorreichen Sportverein Werder Bremen plädiert. Und was ist dabei herausgekommen:
Arnautovic, Elias, Allofs...Wir schämen uns und bitten um Vergebung!
Der Wiedehopf
Literatur. Texte. Prosa. Lyrik. AurorInnen. Besprechungen. Ankündigungen. Berichte.
Sonntag 26. September 2010
F&U am Sonntag
HEIERMANN VON DER LEYERMANN
Oh, kuck mal an, doch soviel!
Meldung von heute: Die Regierungskoalition will die Hartz-IV-Regelsätze um üppige 5 € erhöhen! Die Sätze für Kinder werden nicht erhöht!
Jetzt kommt es ganz Dicke für die Hartz-IV-Bezieher und Bezieherinnen. 5 € mehr im Monat! Der reine Luxus! Was sie sich davon alles zusätzlich leisten können, hat einmal unser Armutsredakteur aufgelistet:
5 x Pissengehen auf der Bahnhofstoilette
oder
5 x 1 Hamburger einfach bei McDonalds
oder
5 x Dosensuppe 1 Portion ohne Fleischeinlage
oder
5 x Bildzeitung
oder
5 x Einkaufen in der Abteilung "Alles 1 Euro"
oder
5 x einem Bettler in der Stadt "'ne Mark geben"
oder
5 x günstig in der Teestube der Straffälligenhilfe essen
oder
5 x Telefonieren mit den Kindern
oder
5 x die Heizung kurzfristig ein wenig höher einstellen
oder
5 x 1 Reihe Lotto spielen
Ist das denn nix?
Dienstag 05. Oktober 2010
Aus der Reihe: Unvergessen
Heute vor 7 Jahren: Oktober 2003
eine Serie von Josef Fellstein
OKTOBER 2003 - DER MONAT DES ARNOLD
Irgendwo in Deutschland im Jahre 2003, Oktober.
Unser Arnold hatte es in seiner beruflichen Laufbahn weit gebracht. Das richtige Parteibuch im Jackett brachte er es als Jurist für Baurecht in dem Ländle seiner Wahl, er kam sicherlich wie viele andere politische Zuwanderer auch aus Ostwestfalen ins Ländle, zum Staatsrat für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Als Vertreter der jeweiligen Senatorin, mal war es Hilde, die leider tragisch verunglückte, mal war es Karin, die selber ein Unglück war, hatte er somit viel zu tun und viel zu entscheiden.
So kam es vor, dass er beispielsweise morgens noch mit seiner Marionette, der von ihm eingesetzten Chefin der arbeit gmbh, bei einer schönen Tasse Bohnenkaffee die Strategien zur Begünstigung ausgewählter Arbeitsförderungsprojekte im Ländle besprach, dann gegen Mittag zum Empfang der halbstaatlichen Heimstiftung anläßlich der Eröffnung des 121. Stiftungsdorfes eilen musste, um dort den einen oder anderen Happen vom Büfett zu erwischen - und um schließlich am Nachmittag mit dem von ihm eingestellten und, wie sich später herausstellte, untreuen Verwaltungsdirektor der Krankenanstalten darüber nachzudenken, wie die Krankenzimmer mit unnützem teuren Mobiliar ausgestattet werden können.
Leider wusste Arnold zu dem damaligen Zeitpunkt, Oktober 2003, noch nicht, dass er von dem Verwaltungsdirektor in den gleichen Momenten, in denen er eisige Streichkonzerte für die Institutionen der Jugend- und Sozialhilfe dirigierte, von oben bis unten beschissen wurde. Oder wußte er es etwa doch schon? Gab's da schon was?
Den Jugendamtsleiter degradierte er nicht erst im Oktober 2003 zum Sparkommisar, der sein Unwesen dann auch gnadenlos auf seine Abteilungen und Mitarbeiter herunterprügelte - alles mit Arnolds Zustimmung. Die Ergebnisse dieser Kinder- und Jugendhilfe wurden einige Jahre später - es war wohl wieder Oktober - dramatisch im Ländle öffentlich. So dramatisch, dass dann endlich auch Arnold und Karin ihre Hüte nehmen mussten.
Und im Oktober 2003, um darauf zurück zu kommen, in dem Monat also, hatte Arnold wohl soviel um die Ohren in den höheren Sphären seines Machtapparates, dass die drei Gespräche im Laufe des Oktober 2003 mit dem Sozialverein, der wegen einer unausgewogenen und unzureichenden Förderung durch die Arnold'sche Zentrale in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, ihm quasi am Machtarsch vorbei gegangen sind. Im Monat Oktober 2003 ließ Arnold den Sozialverein eiskalt in die Insolvenz stolpern, um, wie man später hörte, den Trägermarkt um ein weiteres Opfer zu bereinigen.
Das war eine große Leistung von Arnold im Oktober 2003, die sich allerdings relativierte durch die Tatsache, dass alles auch hätte ganz anders gelöst werden können, zum Beispiel mit einer Arnold'schen Bürgschaft (hätte ja nicht HREmäßig sein müssen!) - zumal die Tätigkeiten des Sozialvereins später mit fast dem gleichen Personal in anderer Trägerform bis heute fortgesetzt wurden.
Ins Arnold'sche Gras beißen musste lediglich ein so genannter Geschäftsführer, der dann später von Spürmann dem Volltrecker, der wiederum eng zusammenarbeitete mit der verräterischen Barbara und dem geizigen Pfau, nach 24 Jahren und 11 Monaten Sozialdienst für den Sozialverein und für das Sozialländle in die Arbeitslosigkeit geschickt wurde.
Der Oktober 2003 - das war ein bedeutender Monat für unseren Arnold und für alle anderen Hohlkreuzlerinnen und Schisshäsinnen im hanseatischen Ländle.
ei ZEIT 2011
Nun ist es wieder so weit. Ostern naht und die Eier haben Konjunktur. Nach dem langen Winter warten die Gewächse in den Vorgärten direkt darauf, mit allerlei
buntem Eiwerk behängt zu werden. Egal, ob Nordmanntanne, Korkenzieherhaselnuß, Forsythie, Lebensbaum oder Ahorn: das Eiförmige muß in die Pflanze, noch vor dem
ersten Austrieb und der ersten Blüte.
Nach dem Lichterkettenwahnsinn zu Weihnachten und dem Feuerwerksirrsinn zu Sylvester jetzt die Ostereierorgie. Millionen von industriell hergestellten Plastik- und Gipseiern, manchmal sogar Holz, zieren jetzt wieder unsere Hauseingänge, Vorgärten, Parzellen, Hinterhöfe, Büros und Öffentlichen Gebäude. Kein Zweig ist mehr vor den Plastikdingern sicher - Hauptsache es hängt etwas drin! Ein regelrechter nachbarschaftlicher Wettbewerb hat eingesetzt: je mehr Eier im Geäst, desto österlicher das Ansehen. So glauben es scheinbar die Eiereinhänger. Dabei sieht das doch überhaupt nicht mehr österlich schön aus. Der Mythos des Ei's, der Mythos von Ostern, der Mythos von der Auferstehung und der Wiederauferstehung verliert sich total in der chemisch hergestellten Masseneihysterie. Die Kinder werden nicht mehr angehalten, das echte Hühnerei auszupusten, es schön mit Tusche anzumalen, einen Faden am Holzstück im Ei zu versenken, es an ausgewählten Stellen im Hause und außerhalb aufzuhängen - nein, sie werden zu Schlecker oder zu Netto geschickt, um die Plastikdinger billig in großen Paketen nach Hause zu schleppen. Faden ist schon dran, also los. Die Umgebung verunzieren mit diesen unifarbenen Industrieprodukten.
Na denn: schöne Ostern!
Freitag 31. Dezember 2010
PERSÖNLICHER TIERISCHER 7-JAHRES-RÜCKBLICK 2003 – 2010
von Ulrich Pelz
„Alles auf der Tafel von einem Tag zum anderen auslöschen,
neu sein mit jedem anbrechenden Morgen,
in einem ständigen Wiederaufleben unserer emotionalen Jungfräulichkeit,
das, allein das lohnt die Mühe, zu sein oder zu haben,
um zu sein oder zu haben, was wir auf unvollkommene Weise sind“
Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe
SCHILDKRÖTE IN DÄNEMARK
Am Anfang des 9.Abschnitts meines 7-Jahres-Entwicklungs-Rythmusses fand ich mich plötzlich auf allen Vieren kriechend auf einer dänischen Insel wieder. Diese Metamorphose in eine Schildkröte blieb nicht nur für die umstehenden Dänen, sondern auch für die mitgereisten Landsleute unerklärlich. Später, nach der Rückverwandlung in einen Aufrechtgehenden, begab ich mich zurück nach Deutschland, um dort erneut in eine Kriechhaltung verfallen zu müssen, und zwar in die eines Hundes.
HUND IN BREMEN
Nach der Rückkehr aus Dänemark in meine Heimatstadt, in der in der Zwischenzeit die Buchhalter und Korinthenkacker das Zepter übernommen hatten, musste ich als Hund die Stiefel derselben lecken gehen.
Außer Lecken musste ich Winseln und Jaulen. Der Oberchef der Buchhalterbande, ein so genannter Staatsrat, ließ mich dreimal vorführen, um meine Eignung für den Wettbewerb der unterwürfigsten und verlogensten Hunde zu prüfen. Am Ende gab er mir einen Tritt in den Arsch, da ich seinen hündischen Ansprüchen wohl nicht genügte.
ESEL IM KANINCHENSTALL
Erneut auf allen Vieren, diese Mal mit großen, langgezogenen Ohren: Nach dem Arschtritt kam die Stunde der Geier und der Schlangen. Während ich vom Obergeier zum Esel degradiert wurde und eine Ecke im Stall zugewiesen bekam, in der ich in aller Ruhe IA rufen konnte, verkümmerten meine Stallgefährten zu Hasen und Kaninchen, deren Angstködel sich überall im Stall ablagerten. Besonders bei der Annäherung der Schlange schissen und ködelten sie allein schon bei deren Anblick. Ich als Esel ködelte natürlich nicht, was mich beim Geier und bei der Schlange noch verdächtiger machte.
ELEFANT IN TIMMENDORF
Zählen wir den Rüssel dazu, dann habe ich die folgenden Quartale meines 9.Abschnittes zwar nicht kriechend, aber immerhin auf 5 Beinen als Elefant langsam dahin schreitend verbracht, wobei der Rüssel selbstverständlich nicht immer Bodenberührung hatte. Zuviel Würfelzucker und zuviel Herz waren unter meinem dicken Fell versteckt, das musste weg! Die weißen Männer haben mich zuerst von Süß auf Sauer gestellt, dann auf den Rücken gedreht, mir vorne alles aufgeschnitten, die Blutbahnen freigekratzt und anschließend alles wieder zugenäht. Danach verschifften sie mich nach Timmendorf an die Ostsee. Dort musste ich am Strand immer hin und her rennen. Einmal schaute ein Dorsch aus dem Wasser und rief mir zu: Hallo Alter, schwimmen hält fit. Ich habe den Dorsch dann noch einmal wiedergesehen. Im Hafen von Niendorf als Filet in einem Fischwagen!
SCHNECKE AN DER OSTSEE
Jetzt Kriechen in Perfektion: Metamorphose vom 5beinigen Elefanten, der gerade einmal wieder laufen gelernt hatte, zur 1beinigen (wenn überhaupt!) Schnecke. Geier und Schlange schickten mir ins Erholungsheim für Elefanten das Todesurteil per Einschreiben. Ich schrumpfte sofort und fand mich in einem kleinen Häuschen über mir selbst wieder. Kein Licht, keine Luft, kein Land. Wollte ich mich vorwärts bewegen, dann musste ich ab jetzt Schleim produzieren und den Kopf herausstecken mit der Gefahr, dass dir ein Jurist auflauert, der auf das Zertreten von Schnecken spezialisiert ist. .So kroch ich langsam auf Umwegen, auf denen ich sicher war, keinem Juristen zu begegnen, von Timmendorf in die Heimat zurück. Bis ich wieder zu Hause ankam, hat es wohl mehrere Jahre meines 9.Abschnittes gedauert.
ASCHE UND EI
Wieder Mensch geworden. Aber: Verbrannt, verkohlt. Die Haut geschrumpelt, das Gesicht geschwärzt. Nicht wiederzuerkennen. Nur die engsten Angehörigen und Freunde wissen noch, wer du bist. Die anderen wechseln die Straßenseite. Sie blicken mit verkniffenem Mund nach unten. Sie pissen sich vor Aufregung, mir begegnen zu müssen, die Hosen voll. Es gelingt ihnen nicht mehr, einen schönen guten Tag zu wünschen. Sie schreiben nicht. Sie rufen nicht an. Sie fragen nichts. Sie sitzen auf den Bänken der Schlachte und starren bei meinem Vorübergehen voll leer hinüber zur Haake-Beck-Brauerei. Die Verräterin kauft Brot in einer Bäckerei in der Pappelstraße und zahlt mit Silberlingen. Im Nest nur Asche. Und ein kleines Vogelei.
ALTE GÄULE BEI EICHE HORN
Ein- bis zweimal die Woche ging es hinaus nach Horn zum Springtraining. Wieder auf allen Vieren trainierten wir Galopp und Sprung. Auch mit Keulen, Bällen, Reifen, Bändern und Hanteln brachten wir uns wieder auf Schwung. Manchmal trieben wir es so doll, dass die Keulen an die Unterkiefer flogen und die Zähne zertrümmerten. Auch Tote gab es, die einfach so umkippten während des Trainings: Auch die anwesenden Ärzte konnten nichts mehr machen. Mund abwischen und weiter. Runden um Runden, Hürden, Matten, Stangen. Unser Jungbrunnen. Herz, Krebs, Lunge – was soll’s. Wir haben es überstanden und und wir sehen uns bei der Olympiade der Alten Gäule wieder.
UNTER VÖGELN IM WOLKENKUCKUCKSHEIM
Etwa in der Mitte des 9.Abschnitts entschied ich mich, der Menschheit ade zu sagen und in die Welt der Vögel einzutreten. Nein, nicht in die Welt der Spatzen, Meisen und Finken und deren Gehirnmassen und intellektuellen Fähigkeiten. Das hatte ich ja nun hinter mir in den letzten 25 Jahren meines Berufslebens. Nein, ich trat ein in die Welt der Phönixe, der Wanderfalken und der Wiedehopfe. Beim Wiedehopf, dem König der Vögel, den ich zuletzt ja noch in Umbrien in den Dinkelfeldern traf, meldete ich mich an und bat um Aufnahme ins Wolkenkuckucksheim. Ich wurde aufgenommen mit den königlichen Auflagen, einen neuen Verein mit dem italienischen Namen „Fenice“ zu gründen, einen Wanderclub „FSFG 07“ auf die Beine zu stellen und die Nett-Wild-Zeitung „FENIX & UPUPA“ herauszugeben. Wie befohlen, so geschehen. Seit meiner Aufnahme liebe ich alle meine Artgenossen ohne Ausnahme. Auch die Geier. Das sind eigentlich ganz liebe Genossen, wenn sie nur nicht manchmal so ekelhaft stinken täten nach Aas und Gier. Furchtbar! Dem König der Vögel wird ja auch bestialischer Gestank nachgesagt. Stimmt aber nicht. Er duftet in der Regel nach Puder und Parfüm. Nur wenn er Sozialarbeiter und Insolvenzverwalter von weitem sieht, dann hat er hinten so eine Drüse mit ätzender Flüssigkeit zur Abwehr, die er dann betätigt. Und was ist aus den königlichen Auflagen geworden? Fenice hat zwei Jahre bestanden. Wegen Nichtberücksichtigung im undurchschaubaren Dschungel der Arbeitsförderung in Bremen wurde er wieder aufgelöst. Der Wanderclub besteht. Es gibt keine Ecke in Bremen, die nicht schon angewandert wurde. Und die Zeitung. Das seht ihr ja! Nur Undank! Katharina Loewe verschwindet mit diesem Lüllmann, so einfach mir nichts dir nichts während einer Kohl- und Pinkelfahrt! Geschmacklos! Das ist schon der zweite Verrat einer Frau, die mir den Job und das Auskommen zu verdanken hat! Aber, wie heißt es so schön unter uns Vögeln: man fliegt niemals im Leben zweimal die gleiche Strecke!
25/11
Dienstag, 23.August 2011
WIEDERBEGEGNUNG DER BESONDEREN ART
ROLLENTAUSCH
Nettes Beratungsgespräch vor'm Getränke-Abholmarkt.
Ich weiß ja seit einiger Zeit, dass er hier bei mir im Stadtteil lebt. Schon mehrmals war er mir über den Weg gelaufen ohne mich zu erkennen oder ohne mich erkennen zu wollen. Mein früherer Jugendhilfeklient Marcus T. Ich war ja einmal in einem meiner früheren Leben Jugendhelfer und auch Bewährungshelfer, und den Marcus habe ich vor
ca.30 Jahren angefangen zu beraten und zu betreuen. Marcus war schon als Kleinkind in Heime gesteckt worden, und er ist dann sein ganzes Kindheits- und Jugendleben von "Scholle zu Scholle" - das heißt: von Heim zu Heim, von Sozialinstitution zu Sozialinstitution, gestossen worden, bis er schließlich früh als Jugendlicher und Heranwachsender auch im Gefängnis landete und schließlich, welch' Wunder, in der Drogenszene. Heute ist er weit über 40 Jahre alt und , wie er mir berichtete, zurzeit auf Metha - also im Drogensubstitutionsprogramm, demnächst wolle er eine neue Therapie beginnen. Er war heute wohl "gut drauf", heute wollte er mich wohl erkennen und sprach mich im Getränkemarkt mit einer Flasche Bier in der Hand locker an: "Hallo Pelz, altes Haus, du siehst aber Scheiße aus, gehts Dir nicht gut?" Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten meinen aus der Form geratenen Bauch zu streicheln. Ich mußte ihn bitten, einem älteren Herrn doch etwas mehr Respekt gegenüber zum Tragen kommen zu lassen. Er darauf hin: "Mensch Pelz, stell' dich nicht so an, ich wollte doch nur fühlen, ob du schwanger bist! Was machst du denn so, bist du noch im Verein soundso?" Als ich versuchte ihm zu verdeutlichen, dass ich schon seit einigen Jahren keine Jugendhilfe und Bewährungshilfe mehr mache, legte Marcus ein sozialpädagogisches Gesicht auf und sagte: " das tut mir aber leid für dich, du warst doch immer so ein toller Typ, was ist denn da schiefgelaufen, was sind die Ursachen für dein Versagen?" Ich versuchte kleinlaut zu erklären, was beruflich gelaufen ist bei mir. Marcus jetzt ganz Berater: "Da solltest du aber mal eine Therapie in Anspruch nehmen, du bist doch bestimmt voll fertig!" Es sei nicht so schlimm und ja alles auch schon Vergangenheit, ich jetzt. "Ich kann dir ein paar gute Tipps geben, wie man da wieder rauskommt" so Marcus weiter "... du musst vor allem an dich selber glauben und dich nicht fertig machen lassen von diesen ganzen Heiopeis!" Ich: wird schon werden, ich danke dir für deine Beratung, ich muss los, bis nächstes Mal.
Uli Pelz
13/32
Montag 8.April 2013
ES IST AN DER ZEIT...
...es ist an der Zeit den Hut zu ziehen. Vor all' den Menschen, die als Juristen Mensch geblieben sind. Die nicht nur Paragraphen, die
Gebührenordnung und die bungesgerichtlichen Entscheidungen sehen, sondern die Ereignisse und die Menschen dahinter. Erst kürzlich verstarb einer dieser
Juristenmenschen auf einer Nordseeinsel. Er kannte als Staatsanwalt Barmherzigkeit und Nachsicht gegenüber jungen Übeltätern aus den unteren Schichten. In seinem
Büro stand ein Stehpult als Schreibtisch und an den Wänden strahlten nicht Picasso und Cezan, sondern Donald und Dagobert Duck.
...es ist an der Zeit auszuspucken. Vor all' den Mitmenschen, die immer noch glauben, sich rassistisch, nationalistisch, fanatischreligiös
und gewaltbereit über Andersaussehende, Andersherkommende, Andersglaubende und Andersdenkende erheben zu dürfen. Nun gut, du wirst in deiner Nachbarschaft nicht
ständig spucken können, wie sieht das aus? Aber tue es hinten symbolisch am Misthaufen, oder drüben auf der Weide bei den Schweinen. Spucke deinen ganzen Ekel
hinaus.Bis aus dem Speichel eine bunte Blumenvielfalt erblüht. Und bis niemand mehr hinten auf seinem Sommershirt Thor Steinar stehen hat oder Hell's Angels oder
Wikinger oder was weiß ich für einen Dreck!
...es ist an der Zeit zu verzeihen. All' denen, die Ironie und Satire nicht von Angriff und Unfairness unterscheiden können. Auch all' denen.
die wegen menschlicher Schwäche lieber die 30 Silbertaler nehmen als charakterfest zu bleiben in brenzligen Situationen. Nun gut, einem geizigen Pfau und einem
blutverschmierten Aasgeier kann man nicht verzeihen, bei bestem Willen nicht! Aber all' diesen dummen Schweinen und leichtgläubigen Vereinsschäfchen, da wird man ja
wohl mit der Zeit mindestens ein Auge zudrücken dürfen, wenn nicht zwei! Ja, wir werden wohl auch die staatlichen Administratoren in unsere Fürbitten mit einbeziehen.
Allerdings werden wir sie nicht namentlich erwähnen, da sie schon längst nicht mehr auf meiner Liste stehen.
...es ist an der Zeit zu schreiben. Bevor du die Kurve kratzt für all' die, die nicht wahrnehmen und begreifen können oder wollen. Auch für die, die bis heute nicht akzeptieren können, dass du einen langen und dornigen Weg gegangen bist, und dass du dir hohe soziale und fachliche Kompetenzen angeeignet hast auf dem zweiten, dritten und vierten, wenn nicht fünften Bildungsweg. Und für die, die immer noch nicht glauben können, dass du nicht mehr oben in der Spitze des Kastanienbaumes sitzt und schöne Gedichte, die du bei Köhler in der Achimer Mittelschule gelernt hast, von Benn und Rühmkorff und Brecht sprachtechnisch einwandfrei aufsagst. Und für dich selbst. Schließlich willst du ja auch selbst wissen, bevor du die Kurve kratzt, was eigentlich so war!
Uli Pelz
13/27
Montag 17.Juni 2013
VOR 10 JAHREN: DAS JAHR 2003
oder: das Jahr, in dem sich die Erde rückwärts drehte
Es gibt weltgeschichtlich bedeutende Jahre, und es gibt diese so genannten normalen Jahre, in denen auf die freundliche Frage " na wie gehts" ebenso freundlich und lapidar geantwortet wird "gut". Weltgeschichtlich bedeutende Jahre waren in der Übersicht der letzten 70 Jahre z.B. die Jahre 1945 und 1989. Alle anderen Jahre dazwischen und danach waren normale Jahre, auch wenn Kalte und Warme Kriege geführt wurden, Atombomben gezündet wurden, Volksaufstände niedergeschlagen wurden und die Offene Sexualität erfunden wurde. Ein besonders normales, wenn nicht sogar stinknormales Jahr war dieses Jahr 2003. Nun gut, man könnte einschränken , dass es vielleicht doch ein weltgeschichtlich bedeutendes Jahr war, weil in diesem Jahr 2003 Recep Tayyip Erdogan Ministerpräsident der Türkei wurde, oder weil US-Präsident George W. Bush dem amerikanischen Volk in einer nur vier Minuten langen Rede den Beginn des Krieges gegen den Irak ankündigte, vielleicht auch weil 77 % der Polen für den Beitritt in die EU gestimmt haben. Einmal abgesehen davon, dass die NATO die Kontrolle über die afghanischnen Militäreinheiten übernahm und Bundeskanzler Gerhard Schröder Prag besuchte und San Marino eine neue Regierung erhielt. Darüber hinaus war aber eigentlich alles normal, einmal abgesehen davon, dass Saddam Hussein im Irak in einem Erdloch aufgespürt wurde und erst einmal zum Duschen abgeführt wurde, um ihn dann 3 Jahre später hinzurichten. Ansonsten alles normal. Die Deutschen Politiker unter der Führung der Sozialdemokraten arbeiteten eifrig an der Umsetzung der so genannten "Agenda 2010", die zum Ziel hatte, die Deutsche Gesellschaft zu spalten in erfolgreiche Eliten und arbeitsscheue Leistungsversager. Dabei bedienten sie sich eines Arbeitsdirektors aus der Autoindustrie, der später berühmt werden sollte wegen seines Managementes von Dienstreisen für verdiente Betriebsräte in den Puff von Rio de Janeiro. Auch war es ihr Ziel, den Wohlfahrtsstaat umzukrempeln, wenn nicht zu vernichten. Nicht mehr gesellschaftliche, soziale Solidarität stand jetzt im Vordergrund, sondern kaltes betriebswirtschaftliches Rechenwerk ohne Fragen an Tradition, Innovation und Qualität Sozialer Arbeit. Die Sparkassenfachbetriebswirte in ihren grauen Anzügen, die von rotkarierten Sparkassenkrawatten begleitet wurden, reduzierten ihr Sprachvermögen auf die Begriffe "Basel II" und "Bundesanstalt für die Bankenaufsicht". Ihnen ging die Muffe 1:1000, dass sie bei der Kreditvergabe an kleine, und besonders an soziale Unternehmungen Fehler machen würden, was ihnen - wie sie immer lauthals in die Quartalsgespräche hineinpusteten - die Krawatte kosten würde. Echt Arme Schweine. Und dann gab es da im Jahre 2003 auch noch diese so genannten Wirtschaftsprüfer, die kein anderes Interessse hatten, als in den von ihnen beauftragten Sozialen, Kulturellen und Sportlichen Vereinen und Unternehmungen zu prüfen, was wirtschaflich bei diesen betriebswirtschaftlichen Hungerleidern und Dilletanten für sie persönlich herauszuholen war. Dabei missachteten sie alle Rauchverbote in den Betrieben und ließen sich bräsig, selbstherrlich und arrogant von den Buchhaltern die wirtschaftlichen Miseren vortragen. Verschlimmert wurden die ekelerregenden Prüfsituationen noch durch die Tatsache, dass sowohl die Buchhalterin als auch die Personalsachbearbeiterin eigentlich nie begriffen hatten, was Kostenstellen sind und wie sie den einzelnen operativven Teilen des Betriebes zuzuordnen waren. Egal. Vergessen. Wollen wir etwa auch noch über die damalige Sozialadministration der Stadt etwas berichten? Nein das wollen wir nicht! Es macht keinen Sinn über Pflegesatzabteilungen und über Jugendamtsressorts zu schreiben, die mit ihren Aufgaben eigentlich immer überfordert waren. Man will ja menschlich bleiben und den dort tätigen Unwissenden nicht wehtun. Vielleicht sind sie ja auch bereits vonhinnen gegangen. Die Erde dreht sich weiter. Nur manchmal, so hat man das Gefühl, besonders dann, wenn man Schwindel und Atemlosigkeit verspürt, dreht sie sich wohl rückwärts.
Nein, in Wahrheit dreht sie sich, die Erde, wenn sie sich überhaupt dreht, immer vorwärts. Beweis dafür ist mein Enkelkind Jula, das im Jahre 2003 geboren wurde, und das mir und meiner Frau Ines seit 10 Jahren so viel Spaß und Freude bereitet. Wir freuen uns gemeinsam auf jeden gemeinsamen Tag mit ihr.
Mittwoch, 03. Februar 2011
KATHARINA LOEWE ÜBER SELTENE VÖGEL
5 Tage Hölle in Cuxhaven-Duhnen - und dann auch noch meistens Ebbe
oder: Rosa Tankstellennelken
Der Himmel hing voller Geigen. Ade Kohl und Pinkel. Ade Kollegen und Kolleginnen von Fenix & Upupa. Carsten-Olaf hatte mich gefangengenommen. Dr. Carsten-Olaf Lüllmann, Unternehmensberater und Medienberater. Ich hatte ihn vorher gar nicht so recht wahrgenommen, obwohl er mindestens 1 – 2 x im Monat in unserer Redaktion war, um unsere Chefs auf den richtigen Weg zu bringen. Besonders betriebswirtschaftlich sind Chefs ja meistens blind, hier hat Carsten-Olaf unseren Herausgebern in den letzten Monaten wertvolle Anregungen geben können. Unter anderem hat er ihnen davon abgeraten, eine korrespondierende Redaktion in Peking aufzubauen. Schade, ich war ja damals bereits im Gespräch, den Job in Peking zu übernehmen. Heute sage ich: ach, wäre aus Peking doch etwas geworden! Stattdessen: Cuxhaven-Duhnen! Nach der Kohl- und Pinkelflucht aus Ganderkesee, oder wie das Kaff da im Oldenburgischen heißt, fanden Carsten-Olaf und ich uns im Autobahnmotel A1 an der A1 zwischen Osnabrück und Bremen bei Großmackenstedt wieder. Aus hygienischen und intimen Gründen soll hier an dieser Stelle auf die Darstellung näherer Einzelheiten unserer Hotelankunft in Großmackenstedt verzichtet werden. Nur so viel: Carsten-Olaf wird sicherlich in seinem Leben niemals wieder Oldenburger Pinkel mit Oldenburger Grünkohl, der ja wohl vorher bereits in Unmengen Schweineschmalz angedünstet wurde, vermischen, um sich dieses Gemisch später einzuverleiben. Nur weiter so viel: das war‘s dann mit A1! Ich hatte 1a erwartet, stattdessen dieses Autobahnangebot A1. Später haben wir noch gehört, dass unsere Herausgeber in der Nacht nach der Kohl- und Pinkelfahrt auf Bänken schlafend in der Halle des Delmenhorster Bahnhofs aufgegriffen worden sein sollen und eine Nacht in der Ausnüchterungszelle der Delmenhorster Polizei verbracht haben sollen.
Wir sehen, wie schnell Grünkohl und die erste Euphorie der Liebe vergehen können. Ernüchterung tritt schnell ein, spätestens am nächsten Morgen, wenn sich Schlipse in Briefkästen wiederfinden oder Berufspraktikantinnen in Anleiterbetten. Oder wenn angeblich seriöse Unternehmensberater dir in einem Autobahnhotel in aller besudelten Pracht im Hotelbadezimmer gegenüberstehen und fragen: „War das nicht ein schöner Abend gestern, Michaele?“ Hier hilft dann nur noch, um einen promovierten Spitzenberater nicht zu verletzen, zu sagen: „Ja, mein Lieber, es war schön – aber kann es sein, dass du meinen Vornamen nicht richtig wahrgenommen hast?“ Daraufhin Carsten-Olaf: „Termine und Namen hab‘ ich voll im Griff, da macht mit keiner was vor!“ Ich: „Ach so, dann bin ich wohl ab heute für dich Michaela?“ Er: „Nein, entschuldige Manuele, du bist und bleibst für mich Katharina, war doch nur ‚n Witz“ Ich: „Och“
Wie die Hormone so spielen. Normalerweise hätte ich ja nach diesen Grünkohlerlebnissen und nach diesen A1-Erlebnissen Schluss machen müssen mit Lustig. Welcher Hormonteufel mich dann geritten hat, auf das Angebot von Carsten-Olaf einzugehen, mit ihm für einige Tage an die Küste nach Duhnen zu entschwinden, weiß der Geier. Jedenfalls fanden wir uns dann gemeinsam nach einem kurzen Intermezzo des heimischen Kofferpackens und des Ausschlafens in heimischen Betten (er wahrscheinlich mit Michaela oder Manuela) in diesem Nobelhotel in Cuxhaven-Duhnen wieder. Hotel Strandperle. Küche 2 Sterne Michelin. Treffpunkt Alte Liebe Cuxhaven. Samstag 16:00 Uhr. Von dort mit dem Taxi nach Duhnen. Und sieh‘ an, typisch Unternehmensberater, typisch Manager: pünktlich und akkurat gekleidet, frischgegeelt die dunklen Haare nach hinten gestriegelt, stand er da: Carsten-Olaf Lüllmann, besser gesagt: Dr. Carsten-Olaf Lüllmann! Er begrüßte mich mit einem Strauß rosa Tankstellennelken und den schmeichelnden Worten: „Ach liebe Brigitte, es ist so schön, dass wir wieder zusammen sind!“ Ich : „Och, lieber Hans-Hermann, du weißt doch – wenn ich etwas zusage, dann halte ich das ein“ Er: „Hans-Hermann?“
Kapitel 2 erscheint am 07. Februar 2011
Kuck' mal da hinten, die großen Pötte
zu einem Kapitel 2 ist es leider nicht gekommen, weil Katharina Loewe in der Zwischenzeit Verhandlungen mit dem ZDF geführt hatte, wo sie nun ab 01.07.2011 Aspekte übernehmen wird.
26. März 2010
Adrian Quellhorst, Versagenstherapeut, Bremen, Ostertor

Seltene Vögel
Heute: Adrian Quellhorst, 46, Versagenstherapeut, Ostertorviertel
Das Gespräch mit Herrn Quellhorst führte unsere Sonderredakteurin Katharina Loewe
Katharina Loewe: Hallo Herr Quellhorst, ich begrüße Sie und muss Ihnen gleich am Anfang unseres Gespräches gestehen, dass ich ziemlich „viel Schiss“ vor diesem Gespräch habe, weil ich gar nicht weiß, ob ich es durchhalten werde, und was hinten dabei heraus kommen soll.
Adrian Quellhorst: Das erstaunt mich sehr. Sie machen ja auf den ersten Blick überhaupt nicht den Eindruck einer ängstlichen Schisserin. Das Gegenteil ist ja eher der Fall. Sie wirken prall und selbstbewusst, als könne Ihnen keiner ein X für ein U vormachen. Ich müsste mich eigentlich in diesem Falle als Versagensängstlicher outen, da ich bei der ersten Begegnung spontan den Eindruck hatte: die will dich fertig machen
Katharina Loewe: Aber Herr Quellhorst, ich bitte Sie. Das ist ja nun wirklich nicht mein Stil, meine Gesprächspartner fertig machen zu wollen. Deshalb auch meine erste Frage: Wie wird man als ehemaliger Bergführer ohne qualifizierten Schulabschluss Versagenstherapeut?
Adrian Quellhorst: Also wissen Sie! Ich weiß ja nicht woher Sie die Informationen bezüglich meiner Schulabschlüsse haben…
Katharina Loewe: … (unterbricht)… von Ihrer Mutter…
Adrian Quellhorst: …ja, ja von meiner Mutter! Da haben wir doch schon das beste Beispiel für die Gründe von Versagensängsten! Sie (gemeint sind hier die Mütter, Anm. der Redaktion)wollen immer, dass du als Held darstehst, dass du immer der Beste bist, mein Gott, wie habe ich darunter gelitten die ganze Zeit bis heute.
Katharina Loewe: Aber um noch einmal auf die Frage zurück zu kommen: wie war das denn nun mit dem Therapeuten? Wann haben Sie den Bergen ade gesagt, um nach Bremen zu kommen, um hier als Versagenstherapeut zu wirken?
Adrian Quellhorst: Liebe Frau Loewe, ich fühle mich bereits nach den ersten Wortwechseln mit Ihnen ziemlich mutlos, ich glaube, dass wir beide nichts Vernünftiges auf die Reihe bekommen werden. Diese Direktheit mir gegenüber, das war ich weder in meiner Bergführerzeit noch bin ich es gegenwärtig gewohnt, so konfrontativ angegangen zu werden als Führungsperson.
Katharina Loewe: Lieber Herr Quellhorst, das ist doch nun wirklich abwegig. Ich stelle doch keine konfrontativen Fragen. Wir müssen doch gemeinsam, um etwas zu Papier zu bekommen, in einen Frage-und Antwort-Dialog eintreten. Meine Frage ist doch eigentlich völlig unverfänglich: Wie wurden Sie Therapeut in Bremen? Haben Sie ein Studium absolviert? Haben Sie eine Eigenanalyse oder so etwas Ähnliches absolviert? Ganz einfache Fragen in einem ganz einfachen normalen Interview.
Adrian Quellhorst: Was glauben Sie denn eigentlich liebe Frau Loewe, wie viele Menschen darauf warten, mir und meinen Kolleginnen und Kollegen vom Verband der freischaffenden Versagenstherapeuten zu begegnen? Das sind Tausende, die gar nicht mehr wissen, wie es mit ihnen weiter gehen soll! Die sind zerfressen von der Angst, es nicht hin zu bekommen! Die sind zerstört von Selbstzweifeln, nicht geachtet zu werden. Und Sie stellen hier die Fragen danach. Was soll denn das?
Katharina Loewe: Lieber Herr Quellhorst, es geht doch im Wesentlichen gar nicht um Ihre, ich weiß nicht, wie ich sie benennen soll – sind es Patienten, oder Kunden, oder sind es Hilfesuchende? Es soll doch ausschließlich um Sie gehen, wer Sie sind, woher Sie kommen, was Sie gemacht haben, was Sie planen und so weiter.
Adrian Quellhorst: Papperlapapp, so können Sie doch an die Sache nicht heran gehen. Das ist doch voll unprofessionell, wie Sie das machen. Erst den Interviewpartner fertig machen und hinter her noch dumme Fragen stellen. Ne, meine Liebe, so schaffen Sie das nicht – so schaffen wir beide das nicht!
Katharina Loewe: Herr Quellhorst, mein letzter Versuch, Ihnen die Angst vor mir und meinen Fragen zu nehmen, eine Frage zu Ihren Kindheitserlebnissen:
Adrian Quellhorst: (unterbricht)…jetzt kommen Sie mir noch auf die Tour. Zuerst mein Schulversagen problematisieren und dann in meiner gestörten Kindheit herum wühlen, nee, nee, meine Liebe, so war das nicht verabredet. Ich bin hier schließlich der Therapeut, und nicht Sie!
Katharina Loewe: …eine Frage zu Ihren Kindheitserlebnissen: wo und wie haben Sie Ihre verbracht?
Adrian Quellhorst: das ist doch völlig egal, wo ich herkomme und wo und wie ich meine Kindheit verbracht habe. Ich bin Versagenstherapeut und kein Kindergeschichten-Erzähler.
Ich wohne jetzt im Viertel und habe von dort auch viele Klienten, die meine therapeutische Hilfe benötigen. Die Kindheit, das Leben, die berufliche Entwicklung des Therapeuten ist doch hier völlig unwichtig, der Klient mit seinen Hilfebedarfen steht im Mittelpunkt. Das sollten Sie doch endlich einmal respektieren liebe Frau Loewe.
Katharina Loewe: Gut Herr Quellhorst, dann eine Frage zu den Hauptursachen der Versagensängste in unserer Gesellschaft. Ist es die Überforderung am Arbeitsplatz, ist es der enorme Leistungsdruck, der überall zu beobachten ist, sind es persönliche, individuelle – möglicherweise genetische, vererbte Ursachen?
Adrian Quellhorst: Liebe Frau Loewe, das sind doch jetzt alles Ausweichfragen. Ich sehe Sie in einer prekären Situation. Sie haben Angst mit diesem Interview nicht klar zu kommen, Sie haben Angst zu versagen bei dieser Aufgabe und fragen jetzt in Ihrer ganzen desolaten psychischen Situation mal dies mal das. Ich kann Ihnen nur raten, dagegen einmal grundlegend etwas zu tun. Sie sollten sich einem Therapeuten oder einer Therapeutin hingeben, der oder die auf diesem Gebiet spezialisiert ist . Bei uns hier in Bremen gibt es eine ganze Reihe davon. Wenn Sie nicht unbedingt im Viertel behandelt werden möchten, dann haben Sie auch alle Möglichkeiten in anderen Stadtvierteln, zum Beispiel in der Bremer Neustadt.
Katharina Loewe: Noch eine Frage zum guten Schluss. Was kostet denn so eine therapeutische Stunde in etwa?
Adrian Quellhorst: Tut mir leid Frau Loewe, das hab‘ ich mir gedacht, dass Sie eigentlich überhaupt kein Interesse an meiner Person haben, sondern nur an diesen schnöden Fragen nach Mammon und Kapital interessiert sind. Das ist das Grundübel unserer Gesellschaft: nicht den Menschen sehen mit seinen Problemen und Handicaps – immer nur: was kostet das, welchen Ertrag habe ich davon, wie viel kommt dabei heraus? Nein, mit mir nicht. Meine Preise sind menschenrechtlich in Ordnung, sie sind umweltorientiert, dabei sozialgeprägt und nachhaltig in die Zukunft gerichtet. So bin ich!
Katharina Loewe: Herr Quellhorst, ich danke Ihnen für das Nichtgespräch.
Anmerkung: das Gespräch (Nichtgespräch) wurde von Herrn Quellhorst nicht autorisiert, wir drucken es trotzdem in F&U, weil wir glauben, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, was sich hinter den selbstgemachten Therapeutentürschildern verbirgt.
Dienstag 20.September 2011
ZURÜCK ZUR ZINKWANNE
Wir haben heute noch einmal das herrliche Buch von Martin Perscheid "Wenn Deppen duschen" zu Rate gezogen. Es will uns in unserer neuen Duschkabine einfach nicht gelingen, trocken zu duschen. Trocken soll meinen: ohne dass Wasser aus der Innenkabine nach aussen in den sonstigen Bereich des neuen Badezimmers dringt. Bei jedem von uns Duschern, egal ob Kaltduscher, Warmduscher oder Dauerduscher, sieht das Umfeld der Duschkabine nach dem Duschen aus wie eine Mecklenburger Seenplatte. Am schlimmsten ist es immer bei Armin, der sportlich duscht - nämlich voller Massagestrahl. Bei ihm besteht die Gefahr, dass es reinschwappt ins Wohnzimmer. Ja, so fragen wir uns, sind wir denn allesamt zu blöd, umweltfreundlich und trotzdem hygienisch rein zu duschen? Auch die beiden von der Innungskammer des Klempnerhandwerks geschickten Experten heute, die sich die Sache angeschaut haben, konnten nur feststellen, dass wir alle Fünf hier in der F&U-Redaktion wohl zu blöd zum Duschen sind. Wir sollten das lieber nachlassen und stattdessen zur guten alten Zinkwanne zurückkehren. Dabei gaben sie uns noch den Tipp mit auf den Weg: erst Haar, Kopf, Hals und Ohren. Dann Oberkörper und Rücken. Zum Schluß Genitalbereich und Füße. Also Zinkswannenwaschen ähnlich wie Duschen.
Uli Pelz