AndereWelten  Reiseberichte

 

 

 

 

 

 

SONNTAG

5.SEPTEMBER 2010

MÖWENEIER AUF BROT

INSELGESCHICHTEN

Kofferchaos

Die Überfahrt auf die Insel beginnt im Hafen von Bensersiel. Hier werden die Schiffsfahrkarten gekauft. Größeres Gepäck muss zwangsweise aufgegeben werden. Persönlich mitgenommen werden darf nur kleines Handgepäck. Also zwei große Koffer abgegeben bei der Gepäckannahme. Zwei maulfaule Bedienstete entreissen dir die Gepäckstücke und kleben rote Aufkleber drauf, den Doppelabschnitt bekommst du ausgehändigt - 5 Euro zusammen, geht ja! Aber kein Hinweis darauf, wo die Stücke auf der Insel wiederzufinden sind. Die nächsten Koffer bitte! Hunderte von inselhungrigen Urlaubern stehen Schlange, das Schiff fährt in Kürze. Dann: Überfahrt, Inselbahn, Inselbahnhof. Alles rennt zu der Gepäckausgabe, wenn es denn eine gäbe. Die Gepäckstücke sind kreuz und quer auf offene Gepäckwagen verteilt, die jetzt am Bahnsteig stehen. Jeder Fahrgast muß sich seine  Stücke jetzt selbst herausfischen. Ein irres Durcheinandergerenne beginnt, ein Schubsen und ein Drängeln. Einige finden ihre Stücke sofort wieder, andere rufen entsetzt nach ihren Kindern. Viele Gepäckstücke sehen sich ähnlich. So erwischen wir dann nach langer Suche eine Dame, die gerade den Koffer meiner Reiseführerin geöffnet hatte, um nachzuschauen, ob sich darin ihre persönlichen Sachen befinden. Auf den Vorhalt, wie sie dazu käme, unseren Koffer zu öffnen, erklärte sie auf schwäbisch: I dacht esch wär moiner! Keine Entschuldigung, kein Bedauern, nichts. Ab zur nächsten Kofferöffnung. Für dieses Organisationsdesaster verdient der Inselgepäckdienst leider nur zwei von 7 möglichen Gummiadlern. Sonst sind die Jungs da ja ganz pfiffig. So sagte einer mit Dienstmütze zum Beispiel auf den Hinweis, dass in einem unserer Koffer, die ins Ferienheim transportiert werden sollten,  zerbrechliche Ware sei: Die kriegen wir kaputt!

 

LEIDER NUR 1 GUMMIADLER VON 7 MÖGLICHEN

Das Haus Meedland war in den frühen Jahren seit Anfang der 60er Jahre ein wesentlicher Ort unserer Jugenderlebnisse. Evangelische Kinder- und Jugendarbeit, Internationale Jugendbegegnungen, Familienfreizeiten, Schulfahrten, Politische Bildung, Tätigkeiten beim Landesjugendpfarramt und einiges mehr verbinden mich und meine Reiseführerin mit diesem Haus. Von hier aus haben wir die Insel erkundet und kennengelernt. Wunderbare Zeiten, schöne Gemeinschaftserlebnisse. Herrliche Erinnerungen. Wenn da nicht plötzlich, wir stehen in der Gartenstraße, alles getrübt worden wäre. Wen sehen wir auf dem Gelände herumlaufen? Pappe! Ja, tatsächlich Pappe mit seinem Eichhörnchenschwanz! Pappe, der Heerführer der Pfadfinder und spätere Führer des Betriebsrates und Kamerad von Spürmann, dem Vollstrecker.

Schade, das Haus Meedland hätte gut 7 von 7 Adlern verdient gehabt. Aber so - bei der Belegung. Da bleibt leider nur knapp 1 Gummiadler. Schade!

 

Null Gummiadler für die Meierei

1 Miniatur-Möwen-Spiegelei auf Jumboscheibe Butterbrot 2,40 Euro

Die Scheibe Brot hätte für eine Elefantenmahlzeit gereicht. Das Miniei wäre fast über die Brotkante unter den Plastiktisch gerutscht.

Bei schönem Wetter und bei günstigen Winden zieht es viele Inselbesucher per Leihfahrrad oder per Pferdekutsche hinaus ans Ostende der Insel. Das sind eine Tour gut 11 - 12 km, bis Meierei sind es vom Inseldorfkern gute 9 km. Ganz Sportliche und Hartnäckige legen die Strecke am Strand hin und durch die Dünen zurück als Inselwanderer zu Fuß zurück. Wer es einmal gemacht hat, wird diese schöne Naturwanderung niemals wieder vergessen. Besonders die drei bis vier  letzten Kilometer zurück, so etwa ab Jugendherberge, die Silhouette des Inseldorfes bereits vor Augen, liegen dir für die nächsten Wochen dann noch ganz schwer in den Knochen und Gelenken. Vergessen wirst du auch nie wieder die kulinarischen Erlebnisse in der weit und breit einzigen Gaststätte der Exkursion. Von Gaststätte kann eigentlich nicht die Rede sein, eher würde passen: Touristenabfangstation, oder: Moderne Inselpiraterie.

Unsere Bestellung entsprechend "Karte": Tasse Kaffee, Tasse heiße Schokolade,

1 Bockwurst mit Brot, 1 x Spiegelei auf Brot.  

Unsere Lieferung: Kaffee - draußen nur Kännchen. Lauwarm. Tasse heiße Schokolade. Beim Transport nach draußen übergeplempert, ein Drittel fließt auf dem Unterteller. Bedienung entschuldigt sich zwar, aber keine neue Lieferung. Bockwurst - lieblos eine lasche mitteldicke Wurstmasse diagonal auf einen weißen Teller drapiert, dazu ein mittelaltes Brötchen, Senf. Fertig.  Der Höhepunkt der Lieferung: Das Spiegelei auf Butterbrot. Eine völlig überdimensioniert große Scheibe Graubrot bestrichen mit Fett, an einem Ende des Brotmonstrums ein (ich wiedserhole: ein) gebratenes kleines  Spiegelei. Fertig. Kein Gurkenscheibchen, kein Tomatchen, kein Salatblättchen, kein Radischen, nix nicht. 2,40€! Auf meine vorsichtige Reklamation bei der bemühten, aber überforderten weiblichen Bedienung draußen im Hinblick auf das Eiergericht bekam ich die Antwort: Ja, das sind hier die Inseleier. Hühner gibt es hier gar nicht, die können das Inselklima nicht ab. Das sind Möweneier. Die sammeln wir hier in den Dünen - und dann kommen die in die Pfanne. Hat's geschmeckt? Was soll man darauf noch antworten?

Trotzdem! Laßt euch von der schönst möglichen Inseltour nicht abhalten, wenn ihr einmal dort seid! Das Naturerleben ist höher zu bewerten als diese Abmeierei. Auf jeden Fall, egal wie das Wetter ist, eine der besten Erlebnisse auf der Insel. Von hier noch einmal nachträglich 7 von 7 möglichen Adlern, Möwen, Austernfischern, Ringelgänsen, Pferdchen, schottischen Hochlandrindern oder Kuckucken, oder wie auch immer. Packt euch in eurer Ferienwohnung Picknick für unterwegs ein und macht einen großen Bogen um die billige Abfüll- und Absaugstation. Übrigens, das war öffentlich zu beobachten: der Kutscher von dem "Pferdebus" stand am Tresen und hat im Laufe der Stunde, die er dort Aufenthalt hatte, mindestens 6 Bier und 11 Küstennebel eingegossen. Moin, moin!

 

VOLLE 7 GUMMIADLER FÜR DIE INSEL-APOTHEKE

Apotheken-Chef rettet Urlauber vor zu hohen Zuckerwerten und dem Tod

Ein medikamentenabhängiger Inselurlauber war zu Hause zu dumm, für die Urlaubstage die entsprechenden Medikamentenrationen zu berechnen und einzupacken. So stand er dann am 3.letzten Urlaubstag da ohne den rezeptpflichtigen Zuckersenker. O Gott, o Gott dachte er sich, jetzt werde ich wohl an einer Überdosis Zucker mein Ende finden. Wenn nicht die den Urlauber begleitende Krankenpflegerin die Idee mit der Insel-Apotheke gehabt hätte. Der Kranke und seine Pflegerin also hin zur Apotheke, zum Glück stand kein Insel-Pferd davor. Der Chef persönlich nahm sich der Sache an. Erst fragte er den Patienten aus nach der Bezeichnung der Droge. Der verhaspelte sich mit irgendetwas mit 40. Der Apotheker stutzte, das könne nicht sein - etwas 100, 380 oder 850. Ja, so der Patient, 850, das isses.  Kein Problem, so der Chef, ich rufe bei dem Heimatarzt an, morgen kann ich dann die 850er aushändigen. Und siehe da, es geschehen noch Heilungswunder, am nächsten Tag hatte der Schwerkranke seine lebenrettenden Pillen in den Händen. 7 Gummiadler

 

9 Enten
SCHWEIGEGELD
oder: was hätte man sich auch sagen sollen?

Abrechnung fiktiv:

7 Tage x 39,50 € Wohnung= 276,50 €

39,50 € wäre ein angemessener Preis für die Wohnung im Stil der 70er Jahre gewesen

7 Tage x 39,50 € Schweigegeld = 276,50 €

Kommunikation Vermieter / Mieter: am Anreisetag: moin, moin - am Abreisetag: moin, moin. Sonst war alles mit schriftlichen Hausordnungen und Aushängen geregelt, sonst gab es nichts zu besprechen, auch wenn die Mieter gerne einmal gewußt hätten, wie das mit der Müllentsorgung ist, ob es einen Bollerwagen oder Fahrräder gibt, wo die schnatternden Enten hingehören, oder wie es sonst so geht, oder ob alles klar ist usw.usw. Nichts. 7 Tage nichts. Dafür haben wir gerne gezahlt!  

Endreinigung 37,00 €.

Gesamt 590,00 €

Moin, moin. Und Tschüß!

Trotzdem 3 Gummiadler wegen der  Küche, man konnte gut kochen.

Für die Betten oben, in die man nur über das Fußende einsteigen konnte: 9 Enten

 

Und sonst?

Ristorante Pizzeria Luciano

Saltimbocca schwimmt in Soße, Tomatensalat als Monte Pomodore, sehr laut

3 Gummiadler von 7 möglichen

Cafe Leiß, Kolb-Gruppe, was gehört nicht zur Kolb-Gruppe auf Langeoog?

beliebtes Cafe in der Barkhausenstr. / schöne Cocktails / Kaffee und Tee sehr gut

6 Gummiadler von 7 möglichen

Jugenherberge

nach schöner Strand- und Dünenwanderung über Melkhörn, der höchsten Düne der Welt, unser Ziel: Jugendherberge, die wir als ehemalige Jugendleiter in guter Erinnerung hatten. Jetzt eine schöne Tasse dünnen Herbergskaffee oder ein kühles Erfrischungsgetränk. Denkste. Dicht. Kein Mensch zu sehen. Die Aussenanlagen machten leider einen sehr vernachlässigten Eindruck. Keineswegs kinder- und jugendfreundlich, eher abschreckend. Wie es wohl innen aussieht?

0 Gummiadler von 7 möglichen

Seglerheim Kajüte Am Hafen

2 x Matrosenteller / Bratkartoffeln mit einem Grünen Hering und Salatbeilage.

Einfache Küche, gute Portion, die Heringe super gebraten, besser als so manche verbrannte Sardine in der Weltstadt Lissabon, die Bratkartoffeln nicht zu fett.

5 Gummiadler von 7 möglichen

Restaurant Schiffchen im Hotel Kolb

Pfifferlingcremesuppe, frische gebratene Pfifferlinge an Frühlingszwiebeln und kleinen Tomatenstückchen, Lachsforelle, Kalbsrückensteak an Risotto, Wein, Wasser, Espresso, Grappa. Sehr gute Küche mit sehr professionellem Service. Schöner Abschluß.

7 Gummiadler von 7 möglichen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

19/11

30.März 2011

REIF FÜR DIE INSEL

Unsere MitarbeiterInnen Katharina Loewe, Hannah Timmermann-Petrowski und Armin Wnoucek machen einen einwöchigen "Betriebsausflug" auf die Insel. Von dort werden sie täglich berichten und Bilder schicken. Unser Sportredakteur Armin will z.B. eine Reportage über den beliebten Volkssport Polo schicken, Katharina will sich einmal genauer die Imbissbuden und Fischbratereien und die Leute, die dort verkehren, anschauen, während unsere Hannah mehr Interesse an Natur und Tierwelt der Insel hat.

Anmerkung des Herausgebers: Leider haben die drei MitarbeiterInnen ihre Tage auf Sylt im Sansibar verdaddelt, so dass keine Texte zustande kamen. Alle drei wurden abgemahnt.

 

 

 

 

24/11

Sonntag 21.August 2011

WIR WOLLTEN KETCHUP UND DURCHBLICK

 

DURCHBLICK - SCHIFFSMELDUNGEN

In unseren neuen Redaktionsräumen werden wir besseren Durchblick haben. Wir werden dann östlich der aufgegangenen Sonne entgegensehen können und westlich der untergehenden nachsehen können. Vor dem östlichen Fenster auf der Straße stehend kann jetzt durch unsere Räume hindurch bis zum Neustädter Hafen geschaut werden, um zu prüfen, ob Schiffe da sind oder nicht. Von dieser Möglichkeit haben bereits jetzt während der Baustellenphase mehrere Besuchergruppen Gebrauch gemacht. Wir überlegen, ob wir nicht bei gutem Wetter die östlichen Fenster öffnen und Kaffee und kühle Erfrischungen anbieten. Einer unserer Nachbarn ist so fasziniert von dem Durchblick, dass er mehrmals am Tag sowohl östlich als auch westlich durchblickt. Wir mussten ihm da schon Grenzen aufzeigen und auf den Schutz unserer Redaktionsintimsphäre hinweisen.

 

BETRIEBSAUSFLUG NACH LANGEOOG, oder: Gerecht geht anders

Katharina, Hannah, Josef, Armin und ich hatten uns kurzfristig vor Ferienende entschieden,  selten gutes Sommerwetter am vergangenen Dienstag für einen Betriebsausflug nach Langeoog zu nutzen.  

Dort angekommen nach zweistündiger Autofahrt mit dem TomTom - nur einmal verfahren in Jever, Josef wollte sich unbedingt die Brauerei seines Lieblingsbieres von außen   anschauen- , und nach einstündiger Fahrt mit Schiff und Inselbahn mieteten wir sofort einen Bollerwagen, um unser umfangreiches Gepäck zum Strand zu transportieren. Und was passierte: Katharina und Hannah machten sich sofort breit im Bollerwagen nach dem Motto " es ist alles so anstrengend, wir können nicht mehr, bitte zieht uns". Josef und Armin, blöd wie sie sind, fielen auf dieses weibliche Täuschungsmanöver natürlich herein und zogen die Ladys rucksacktragend, in der einen Hand weiteres Gepäck und in der

anderen Hand die Deichsel des Bollerwagens, dünenbedingt bergauf bergab am alten Leuchtturm vorbei bis an den Strand. Ich persönlich war fein raus gepäckmäßig, da ich ja die wichtige Aufgabe der Fotodokumentation übernommen hatte. Und dann der Höhepunkt: wir mieten, am Strand angekommen, zwei Strandkörbe, den 388 und den 1579, die beide zusammenstehend vorne in der ersten Reihe am Wasser standen. Also zwei Strandkörbe für 5 Personen. Und bups: Katharina und Hannah okkupieren sofort den 388er und wehren jeden Versuch ab, obwohl sie beide die Dünnsten von uns allen sind, dort noch ein weiteres Teammitglied unterzubringen. Wir Männer riefen noch: unsozial, egoistisch, typisch Hannah und Katharina,  Sauerei - es nutzte nichts, wir drei zurückgebliebenen und nicht mehr ganz schlanken Männer (Armin mal ausgenommen) mussten uns den 1579er teilen. Armin als Sportredakteur verzichtete dann auch noch auf den Einzug in den 1579er und machte ersteinmal einen langen Strandmarathon bis zur Meyerei und zurück.   Und die Ladys, nachdem sie mit Schaufeln und Eimern vorne am Strand Kanäle gezogen hatten und mit Quallen gespielt hatten: wir haben Hunger, wer holt was? Und wieder typisch: Josef und ich los, Armin war noch nicht zurück. Über die Dünen rüber zum Fresszentrum des Strandabschnittes. Fischhalle. Wir gönnen uns ein wenig Erholung von den Ladys, essen ersteinmal vor, Matjes- und Krabbenbrötchen, dazu jeder 3 Jever und 3 Küstennebel. Dann schleppen wir zurück an den Strand: Fischfilet mit Kartoffelsalat und Pommes mit Mayo. Dort angekommen sitzen Katharina und Hannah in ihrer Trutzburg 388 und bemerken spöttisch: habt ihr euch verlaufen? Sie packen die Pommes aus und fangen sofort an zu heulen: wir wollten kein Mayo, wir wollten Ketchup. Toller Betriebsausflug. Armin kam erst kurz vor Abfahrt des letzten Schiffes von seinem Marathon zurück. Die Abendstimmung über dem Watt bei der Einfahrt in den Hafen von Bensersiel war schön.

Uli Pelz

 

 

 

 

 

29/11

Sonntag, 02.Oktober 2011

DER HERR DES WASSERTURMS

 

Bericht über die Expedition zum Künstler Manfred Willi Reichert, der in Visselhövede auf dem Areal der ehemaligen Honigfabrik  Sonnentau die Kunstausstellungen im Wasserturm organisiert

Wir lassen die ostfriesisch-japanischen Gartenumgestaltungsarbeiten in der Nachbarschaft, die mit enormen Steinstaubentwicklungen und Geräuschexplosionen verbunden sind, fluchtartig hinter uns und begeben uns auf eine Kurzreise in die ruhige und besinnliche Provinz Richtung Lüneburger Heide. Nicht um dort die lila-blühende Erika zu betrachten, so wie es wohl Heerscharen von nordrheinwestfälischen Rentnern zurzeit tun sollen, sondern um uns in Sachen „Provinzielle Kunst“ in Visselhövede schlau zu machen.

Wir, meine Fahrtbegleiterin und ich, nehmen uns vor, die Autobahnen zu meiden und schön gemütlich, wie früher mit der Kutsche, über die Dörfer in die Heide zu trödeln. Entdeckung der Langsamkeit. Wiederentdeckung von Kindheitsorten. So finden wir uns auf der guten, alten B75 wieder. Hinter der Stadtgrenze Bremens in Oytermühle / Bockhorst vorbei an dem kleinen Bauernhof, auf dem die ostpreußisch-sächsische Flüchtlingsfamilie 1945 Unterkunft fand, dann vorbei an der Flüchtlingsbehausung in Bassenergrund, wo der Fahrer des Fahrzeuges in den 50er-Jahren seine Kindheit verbrachte. Die Behausung sieht immer noch so aus wie damals –vermutlich müssen die heutigen Bewohner immer noch raus auf den Donnerbalken hinten bei den Pferden (früher: bei den Schweinen).Weiter nach Bassen. Vorbei am Sportplatz des TSV, wo wir das Fußballspielen gelernt haben. Die 1.Herren des TSV ist immer noch die virtuelle Lieblingsmannschaft des Vorbeifahrenden, Bezirksliga 3 Lüneburg, zuletzt 0:0 gegen Osterholz-Scharmbeck II, Platz 5 in der Tabelle. Wir hoffen auf den Aufstieg in die Landesliga, dann Durchmarsch in die Oberliga Niedersachsen, in der der nächste Sportplatz, den wir passieren, ja bereits spielt. Der TSV Ottersberg, zuletzt gegen Bückeburg 3:3, Platz 11. Wir verlassen den idyllischen Wümmeort Ottersberg, und weiter geht es bis Sottrum, wo wir die B75 verlassen und über Hellwege einen ländlichen Weg bis nach Visselhövede einschlagen wollen. Einen Abstecher zum Gestüt Fährhof verweigert meine Mitfahrerin. „Was soll ich mir Renn-Pferde auf der Weide anschauen. Wenn se nicht laufen, sind se doch uninteressant?“

Ab Hellwege wird es jetzt tatsächlich auf den ersten Blick ländlich-romantisch. Bis Wittorf reiht sich an der engen Eichenallee ein herausgeputztes Dorf an das andere. Ahausen, Eversen, Westerwalsede, Kirchwalsede, Weißenmoor, Lüdingen steht auf den Ortsschildern. Die Dörfer still, es ist Samstag nach 12 Uhr, die Menschen werden nach dem Mittagessen wohl schlafen – jedenfalls ist niemand draußen zu sehen. Die Vorgärten frisch für den Sonntag geharkt, die bäuerlichen Fahrzeuge auf den großen Höfen ordentlich abgestellt. Edeka hat bereits dicht, beim Friseur ist auch nichts mehr los. Und alles in den Durchfahrtdörfern in ein diffuses Licht zwischen Dunkel und Hell eingehüllt. Der Eichenbaumbestand in dieser Gegen ist überwältigend. Die Ortschaften schlummern im Schatten der Eichen dahin, nur hie und da ein Sonnenstrahl, der sich einen Weg durch die dichten Baumkronen freigestrahlt hat. Überall diese Ehrenmäler, das Reichskreuz oben drauf, frische Blumenkränze angelegt. Der Geruch des Aufmarsches des Kyffhäuserverbandes und des Schützenvereins und der Blasmusik hängt noch in der dörflichen Luft.

Mach‘ das Verdeck zu, so meine Fahrbegleiterin, wenn du eine Eichel auf den Kopp kriegst, dann kannst du davon totgehen. Wir fahren gemächlich die engen Eichenalleen entlang. Jugendlichen einheimischen Fahrzeugen wird unser Getrödel zu blöd, sie preschen auf der engen Überholspur mit 120 an uns vorbei. O Gott. O Gott, wenn jetzt man nur kein Hirsch aus dem Gebüsch auf die Straße springt, so meine Fahrassistentin. Auf der gesamten Strecke deutliche Warnhinweise: Wildwechsel, besonders starker Wildwechsel, Vorsicht Bocksprünge, Vorsicht besonders starke Hirschbrunft, Achtung: ländliches tierisches Paarungsverhalten usw.usw. Und dann fahren diese jungen ländlichen Böcke wie die Wildsäue an uns vorbei; wenn das man auf Dauer gut geht für die Wildsäue. Alles so schön grün hier! Wir schauen noch einmal genau hin, Ja, tatsächlich: alles so grün hier. Gab es hier nicht früher Getreidefelder, Kartoffelfelder, Rübenfelder, Spargelfelder, Gemüsefelder? Wo sind die hin? Wir sehen überwiegend grün und hellgelb. Nur noch endlose Maisfelder zu sehen. Die Ernte scheint in vollem Gange. Dicke, überdimensionale Traktoren mit noch dickeren, hohen Anhängern, von denen Maisschrot herunter weht, kreuzen oder blockieren hier und da die Eichenallee. Dann wird es klar: an manchen Orten unserer Landdurchfahrt erheben sich kleine runde grüne Moscheen. Biogas-Anlagen. Das sind wohl die neuen Heiligtümer der Niedersächsischen Landwirtschaft. Nix ist mit „alles so schön grün hier“ – die reine landwirtschaftliche Monokultur, versaute Landschaft im Grunde genommen, für uns Autofahrer. Obwohl wir kein Bio-Sprit oder Bio-Gas fahren – wir schämen uns kurzfristig dafür, dass wir Städter das Land so ruinieren.

Unsere Scham war dann aber im Kreisel zur Einfahrt in die Stadt Visselhövede wieder verschwunden. Wir fahren hinein in die City, 13.30 Uhr am Samstag. Tot. Bürgersteige hochgeklappt. Eine Vierergruppe Landjugend sitzt draußen vor dem Italienischen Eissalon. Die Holzkirche lädt die Atheisten in keiner Weise zum Besuch ein, die Läden dicht, nichts Einladendes, nichts Willkommenheißendes. Kein Brunnen, der plätschert. Kein Historisches Rathaus. Kein Herman-Löns-Denkmal. Keine Ausstellung: unsere Lüneburger Heide. Also machen wir uns unversehens auf den Weg zum Hof Sonnentau, dem Bio-Tagungshotel, wo wir auch Manfred Willi Reichert, den Herrn des Wasserturms, in dem Kunstausstellungen zu sehen sind, auf dem Hof Sonnentau treffen wollten.

Zuerst landen wir allerding im Innenhof des Restaurants im Seminarhotel Luisenhof, das unterhalb des Sonnentaus liegt. Dort bekommen wir nach der langen Reise ein gutes, kleines Mittagessen serviert, sitzen im Schatten, haben einen wunderbaren Blick nach oben zum Sonnentau, und wir haben vor uns eine Koppel, auf der vier elegante Pferde grasen. Siehste, so ich zu meiner Restaurantbegleiterin, da habe ich meine Pferde ja doch noch! Wie sich dann herausstellte, gehört alles zusammen. Luisenhof und Hof Sonnentau sind eine organisatorische Einheit. Gut – wir hätten oben im Bio-Restaurant essen können, das bei unserer Ankunft vom Parkplatz aus gar nicht sichtbar war. Aber so waren wir auch sehr zufrieden, uns im Schatten des Luisenhofes von den Strapazen der Reise etwas erholen zu können. Mit Panoramablick auf den Wasserturm und auf die stolzen Pferde auf der Koppel.

Dann endlich war es soweit. Nach einem kurzen Rundgang über das Gelände des Seminarhotels Sonnentau, bei dem wir uns des Eindruckes nicht erwehren konnten, dass hier irgendwie esoterische Sonnenanbeter, Hünengräberfetischisten und Tippibauer am Werke sind, trafen wir unvermittelt auf den Herrn des Wasserturms.

Er saß einfach dort hinten bei den alten Fachwerkhäusern der ehemaligen Honigfabrik und rief uns unser Erkennungswort zu: Wiedehopf! Ja Wiedehopf, das war das Erkennungszeichen – und schon machten wir uns bekannt und saßen eine Weile an diesem rustikalen Holztisch in der brennenden Sonne, so dass mir das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch entlang lief. Die Frage von Manfred Willi, ob der Platz genehm sei beantwortete ich natürlich höflicherweise mit: die Sonne macht mir nichts aus, sie wärmt schön, schließlich heißt das Gelände hier ja Sonnentau. Der Honig lief mir nur so herunter bis zu dem Zeitpunkt, wo wir uns entschlossen den Platz zu wechseln, um schattige Plätzchen in Manfred Willis kleinem Garten einzunehmen. Hier servierte er Kaffee in wunderbarem altmodischem Kaffeegeschirr, und wir erfuhren in einem netten Gespräch von Manfred Willi alles über die Geschichte der Honigfabrik, über die Seminareinrichtungen und natürlich alles über den Wasserturm, für den er als künstlerischer Leiter und Organisator verantwortlich ist. Eine interessante Geschichte über die Etablierung von Kunst in der Provinz mit allen Haken und Ösen. Auch Biografisches erfuhren wir von Willi. So waren wir doch erstaunt, dass er lange in Bremen und in Worpswede gearbeitet und gelebt hat, er eigentlich ursprünglich aus Oberbayern herkünftig ist, aber schon seit langer Zeit seine Wurzeln in Norddeutschland geschlagen hat. Dass er in Visselhövede gelandet ist, sei einer dieser Zufälle, wie sie im Leben eben häufig vorkommen. Ein wirkliches nettes Plauder-Stündchen im schattigen Garten. So ganz nebenbei ließ Manfred Willi noch verlauten, weshalb Menschen an Seminaren in Seminarhotels teilnehmen. Er hat Insiderkenntnisse, da er so manches Mal als Künstler eingeladen ist Kunst mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen zu veranstalten. Auch hat er von seinem kleinen Häuschen einen guten Einblick in das gegenüberliegende Bio-Restaurant, in dem sich dann die Seminaristen und Seminaristinnen treffen und kreuzen. Willi’s Einschätzung der Motive kann hier im Originalton aus Gründen des Presserechts nicht wiedergegeben werden. Im übersetzten Sinne kann in etwa Manfred Willi so interpretiert werden: es gehe den Seminarteilnehmern nicht vorrangig um die Inhalte der angebotenen Seminare, es gehe ihnen einzig und allein um die Suche nach Paarungspartnerinnen und Paarungspartnern. Es sei, so Manni Willi, schlimmer als bei den Hirschen und Rehen links und rechts der Eichenallee zwischen Sottrum und Wittorf!

Zum Schluss hatten wir Gelegenheit den Turm zu besteigen und eine kleine Ausstellung von Bildern des Malers Lutz Hölscher zu betrachten. Eine feine kleine Sammlung, die man sich beim Treppensteigen über 4 Etagen erobern muss. Kunst im Wasserturm, eine schöne Idee und ein schönes Konzept, dem man noch viele Besucher und viele Jahre wünscht. Von oben im Wasserturm betrachten wir am Ende unserer Ausfahrt in die Kunstprovinz noch einmal Manfred Willi Reichert, wie er versonnen unten am Holztisch sitzt und winkt und lächelt.

 

 

 

 

Nr. 3 / 12

Sonntag, 19.Februar 2012

ALLGÄUER WINTERIMPRESSIONEN

 

Das Gästehaus Babel in Pfronten-Oberried von der Brücke über die Vils aus gesehen. Eine gute Unterkunft für einen Winterurlaub wie auch für einen Sommerurlaub im Allgäu

Mühlenmuseum Bläsle-Mühle in Pfronten im Vilstal. Idylle pur. Von Kitsch keine Spur. Äußerst historisch

Das hier ist Axel "Knopf", der rasanteste Lokomotivführer im gesamten Allgäuer und Tiroler Alpenraum. Die Aufnahme entstand während der grenzüberschreitenden Eisenbahnfahrt von Pfronten im Allgäu nach Reutte in Tirol. Vor den unbeschrankten Bahnübergängen lässt Axel das Zugwarnsignal so laut und heftig ertönen, dass es bis rüber nach Südtirol zu hören ist. Fahrzeuge, die nicht rechtzeitig die Gleise verlassen haben, werden - so Axel - 50m weggeschoben. Manchmal kommt Axel mit einer Diesellok auch nach Bremen ins Instandhaltungswerk Sebaldsbrück. Die Fahrt dauert 4 Tage hin und zurück. Er geht dann immer beim Inder an der Osterholzer Heerstraße essen. Übrigens: die Züge da im Allgäu / in Tirol halten nur, wenn du rechtzeitig den "Haltewunschknopf" betätigt hast!

Schöne historische Bürger- und Handelshäuser in Reutte / Österreich. Sonst war der Ausflug nicht gerade der "Bringer". Nicht viel los in Tirol. Doch: eine Tiroler Trachtenkapelle kam gerade aus einem Brauhaus, in dem sie zum Fachingsremmidemmi aufgespielt hatten. Tiroler Hüte, kurze Lederhosen und rot-weiße Wadenwärmer. Im Cafe gegenüber vom Hotel zum Goldenen Hirschen nett zu Mitttag gegessen.

Ja, wir geben es ja zu, und wir schämen uns auch gar nicht dafür: wir waren oben beim Schloß Neuschwanstein. Nach einem kleinen Mittagsmal unten im von Asiaten besetzten Restaurant "Lisl", bestehend aus fränkischem, mit Silvanerwein verfeinertem gekochten Käse auf Landbrot und einem Allgäuer Käse-Wurst-Salat  machten wir uns auf den steilen Weg nach oben. Imposantes Gebäude, wird gerade außen renoviert. Drinnen waren wir nicht - nur mit Führung. Den Alpsee, wo der König baden ging, haben wir auch gesehen.

  Ja, weshalb sind wir da hoch gefahren? Bahnhof Pfronten-Steinach. Gondelbahn Breitenbergbahn. Seniorenkarten. Aus der Gondel heraus gute Sicht über das Allgäuer Land. Oben nix. Nur Schnee. Rein in die Almhütte. Flädlesuppe in Ordnung. Gebratener Leberkäse mit warmem Kartoffelsalat - eine Portion für drei Waldarbeiter, geschmacklich: Leberkäs wie Baumrinde, Kartoffelsalat aus dem Eimer! Schnell wieder runter und weg! 

Im Stadtcafe von Füssen

Großartig

7 von 7 möglichen Gummiadlern für Essen und Trinken

 

 

 

 

Nr.20/12

Dienstag 28.August 2012 - Donnerstag 30.August 2012

meierei & möwenschiss

Berichte und Fotos von der Urlaubs-Insel Langeoog

 

Kaum, dass du das Festland in Bensersiel verlassen hast, um dich auf ein völlig überfülltes Fähr-Schiff nach Langeooog zu begeben - und kaum, dass du im Langeooger Hafen mit dem völlig überfüllten Schiff angekommen die Insel betreten möchtest, schallen dir über die Hafenlautsprecher nicht die Anweisungen des Hafenkapitäns entgegen, sondern die Schlager der Inselsängerin Lale Andersen. Dir wird nicht nur "Lilli Marleen" geboten, sondern auch "es geht alles vorüber, es geht alles vorbei", oder " Ich werd' mich an den Jonny schon gewöhnen", oder "Hein Mück aus Bremerhaven". Wir verharren in Ehrfurcht am Kai, werden dann vom Hafenkapitän aufgefordert die Inselbahn zu betreten, in der wir dann mit weiteren Liedern von Lale beglückt werden.

 

Schwaben, Badener und Bayern drängen in die niedlichen Waggons, ihre plärrenden süddeutschen Kleinkinder hinter sich her schleppend, beladen mit überdimensionalem so genanntem "Handgepäck", das sie zu geizig waren bei der Gepäckaufgabe in Bensersiel aufzugeben. Schwäbische und bayerische Großhunde blockieren die Durchgänge, die Großeltern rufen ständig: "Hanoi, Hanoi", was immer das bedeuten mag? Wir Ex-Maoisten antwortren einfach mit:"ho-tschi-min", was dann vorläufig für einen gewissen diplomatischen Ruhezustand sorgt. Ein neunjähriges Kind aus Habenhausen ruft: "Kuck mal Opa, ein Pony".

 

Am Bahnhof wirst du direkt hinausgeschleudert aus dem Inselzug  auf die so genannte Barkhausenstraße. Links und rechts überwiegend Gelddruckgeschäfte, bis auf die wenigen, die eigentlich schon insolvent sind, und in die du sofort hineinrennst, um dir die für einen Inselaufenthalt obligatorischen Restposten an Sonnenbrillen und Flip-Flops (4 Euro, Haltbarkeit 2 Tage) zu sichern. Mit diesen erworbenen Inselaccessoires begibst du dich dann in dein Ferienheim, vorbei an Kolb, vorbei an Mare, vorbei an Haus Meedland, Hasenpad, Kiebitzweg.

 

Im Ferienheim angekommen, hast du keinen größeren Wunsch als dich zu rasieren. Nass. Palmoliv, Pinsel, Gillette. Warmes Wassser ins Handwaschbecken, eingeseift, eingeschäumt - los gehts. Es entsteht ein Wassergemisch aus Gesichtshaaren, Kokosnüssen und sonstigem Abgestreiften. Fertig. Wie Uwe Seeler pfeifend Pitralon in die Rasurflächen geklatscht. Frisch. Belebend. Und dann: du willst die Rasurjauche ablassen. Denkste. Nix da. Keine Bewegung im Handwaschbecken. Kein Strudel links rum, keiner rechts run!  Deine Rasurjauche steht und glotzt dich an. Und das für mehr als 100 € pro Tag!  Ist wohl auflaufend Wasser. Da fließt an der Nordseeküste nix ab!!

 

 

Ohne Fahrrad bist du nackend auf der Insel. Gleich bei Ankunft wird dir eins aufgedrückt, egal, ob du jemals in die Pedale getreten hast, oder nicht. Kostenlos. Es herrscht Fahrradzwang auf der Insel. Autos sind ja verboten, die Pferdekutschen zu langsam. Fußgänger und Dünenwanderer werden gerade eben so noch geduldet - sie haben allerdings die Erklärung zu unterschreiben, dass sie Radfahrer, Reiter und Pferdekutschen nicht durch unsinniges  und unkontrolliertes Kreuzen und Stehenbleiben gefährden werden. Die BREMER GRÜNEN finden dieses Verkehrsleitsystem 100% Klasse. Eine Delegation von ihnen unter der Anführung von Ralph Saxe (siehe Foto links) hat sich gerade jüngst vor Ort ein Bild von der Situation gemacht. Alle waren 100% begeistert. Sie wollen jetzt 100% auf politischem und parlamentarischem Wege dafür eintreten, dass das Inselverkehrsleitsystem auch in Bremen eingeführt wird.  Die Bürgerschaftsabgeordnete Linda Neddermann, die zur Grünendelegation gehörte, auf die Frage, ob das Inselverkehrsleitsystem denn einfach so übertragbar sei auf eine Großstadt: "Selbstverständlich - ich würde sogar noch weitergehende Anträge befürworten - nämlich, dass auch das tierquälerische  Anspannen von Pferden und Ponys vor personenbefördernde und materialbefördernde Gefährte verboten  werden sollte!"  

Gastronomie auf der Insel. Es ist zu vermuten, dass die einheimischen Inselmenschen in der Winterzeit, wenn die Touristen wieder an Land sind, in ihren Geheimtreffpunkten zusammenhocken bei Watt'nBier und KüstenNebel und darüber beraten, wie am besten auf einfache Art und Weise das Geld der Fremden auf der Insel verbleiben kann. Zu dieser Geheimstrategie gehört dann wohl auch der Sachverhalt, dass die Küchen in den Ferienhäusern und in den Ferienwohnungen so minimalistisch ausgestattet sind, dass du höchstens ein Ei warm machen kannst, wenn überhaupt. Also musst du raus in die kulinarische Dünenödnis der Insel. Dabei entdeckst du allerdings auch kleine Oasen: z.B. der ganz einfache Imbiss mit ausschließlich Aussenplätzen und Selbstbedienung "Treffpunkt" an der Ecke Barkhausenstr./Gartenstr. Hier wird offensichtlich mit Spaß und Freude und Sachverstand gekocht. Die Kinder waren mit ihren Pizzen und Pommes zufrieden, die Erwachsenen waren hocherfreut über fachgerecht zubereiteten Fisch und über leckere Suppen! Preislich: einwandfrei - würde der Sachse sagen.
Gut auch das "STÖVCHEN". Fisch sehr gut gemacht. Gute "Kinderschnitzel" oder "Kinder-Fischportionen". Allerdings: Frische, junge, russische oder polnische  weibliche Bedienung, der deutschen Minimalbedienungssprache leider nicht mächtig! 

Zur "Meierei" kommen wir später im Zusammenhang mit Vogelschutzstation und Fahrradzählstelle. Nur so viel schon vorab: Die Dickmilch mit Schwarzbrot und Sanddornsaft, die dort seit 100 Jahren teuer verkauft wird, werde ich mein Langeoogleben lang  nicht anrühren!  Wenn selbst die Möwen da nicht rangehen, wenn die Dickmilch da im offenen Meiereifenster vor sich hindickt, dann ist da irgend etwas nicht ganz koscher. Unsere Vermutung: es ist Pferdemilch, denn nirgendwo in der Umgebung der Meierei sind Milchkühe, Ziegen oder Schafe zu sehen!


UND DIESES MUSS AUCH NOCH GESAGT WERDEN:

 

Wer hat nur diese spießigen Strandkörbe erfunden? Völlig widernatürlich. Den Kindern wird das natürliche  Erleben und Begreifen des Naturraumes Meer genommen, indem man sie dem richtungswechselnden Meerswind abgewandt einzwängt in diese unschönen Plastik-Korb-Geflechte. Auch die Sonne sehen sie nicht, und schon gar nicht dieses ständige Kommen und Gehen des Wassers. Sie fühlen nicht dieses elementare  Liegen im Meeressand, sie wissen nichts von der Wirkung der Meeressonnenstrahlen auf die Haut. Sie werden zu Meereskindern des Schattens, zu windempfindlichen Landeiern. So kann doch keine vernünftige Meereserziehung funktionieren. Gut, die Alten, die sich in die Plastikdinger zwängen - denen ist nachzusehen, wenn sie aus Gesundheitsgründen und auch aus ästhetischen Gründen lieber unter dem Versteck bleiben. Aber die Kinder und Jugendlichen sollten doch herauskommen aus diesen Strandgefängnissen, sich Wind und Sonne hingeben, und den Wellen und dem prallen Leben am offenen Strand. Sie sollten sich ein Beispiel nehmen an diesen Menschen, die schon dunkelbraun bis schwarz verbrannt angereist kommen an den Strand, und die sich nicht, im Gegensatz zu den Höhlenbewohner in den Strandkörben, scheuen, alles, was ihr Körper und ihre Haut -wenn dann noch welche dran ist- der versammelten Strandöffentlichkeit zu zeigen!  

 

Nun gut - wir wollen urlaubsehrlich sein: von Hochwasser, Brandung, Wellen und Wellenbaden kann hier überwiegend nicht die Rede sein. Zumindest nicht an der Stelle auf der Insel, wo wir unseren Standort (wir geben zu: im Strandkorb) aufgeschlagen hatten - am Langeooger Hauptbadestrand. Wenn Wind und Wellen und  Brandung einmal da waren, dann war bei der DLRG-Station die Rote Fahne hochgezogen: Badeverbot. Unser Meer war ein riesiger gefährlicher Pril (zumindest für Nichtschwimmer und Kleinkinder) , der mal leer und mal voll vor sich hinschlammte. Das Meer findet neuerdings dahinter statt, auf einer kilometerlangen künstlich aufgeschütteten Sanddüne, die in den letzten Jahren zum Schutze der Insel entstanden ist. Wer Brandung und Wellenbaden erleben will, muss den Pril überwinden und sich in die Bereiche außerhalb des DLRG-Sicherheitsbereiches begeben. Für Kinder, für gebrechliche Alte, für Sozialpädagogen und für Bremer völlig unmöglich! Was bleibt den Ausgegrenzten? Das tolle Wellen-Hallenbad! Für junge Schwimm- und Badenixen ideal. Für Opas eher anstrengend, zumal sie keinen Bock haben,  im Herren-Duschbereich von den braun- und schwarzverbrannten Muskelmännern vom Strand  mit Axe-Duschgel und Rexona-Shampoo sowie mit der extrovertierten Zurschaustellung ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale belästigt zu werden!    

 

Und wenn du als älterer Mensch nach dem ersten Hallenwellenbadbesuch keine Lust mehr auf einen weiteren hast, dann fährst du ganz kontemplativ, ganz für dich alleine, die Fahrrad-Ost-Tour: Jugendherberge-Vogelschutzstation-Meierei (erst vorbei fahren)-Ostende-Meierei (was essen und trinken) zurück ins Dorf.   Gut, über das Problem Jugendherberge  gab es in der Zwischenzeit eine fb-Konferenz mit der Projektkoordinatorin beim Deutschen Jugendherbergswerk -  da wird sich in nächster Zeit etwas tun. Über die Gaststätte "Meierei" kann auch nicht viel Neues berichtet werden (siehe Bericht aus 2011: Spiegelei auf  Brot). Die Meierei ist und bleibt seit 100 Jahren die größte Geldabgreifstation auf der ganzen Insel! Keine Qualität, unfreundliche überforderte Bedienung, völlig überhöhte Preise nach dem Motto: draußen nur Kännchen! Hier hätte die Jugendherberge eine Chance. Für Familien, für Jugendliche, für Altersschwache ein modernes gastronomisches Angebot in einem DJH-Cafe draußen. So könnte sich so mancher die irrelange Fahrradreise gen Osten und so manche Stuten-Dickmilch mit Schwarzbrot und Sanddornsaft für 4,40 € ersparen.  Um die Vogelschutzstation noch kurz zu erwähnen. Sie ist keine! Sie ist eine verdeckte Fahrradzählstation des ADFC Bremen. Vögel jedenfalls haben wir bei unserem Besuch keine gesehen, aber jede Menge vorbeifahrende Radfahrer gen Osten. Bei der Rückkehr gen Westen wurden sie noch einmal gezählt.

Auch wenn keine digitale Zählstation wie auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke in Bremen zu sehen ist: Wir haben es gesehen. Drinnen in dem Vogelschutzhäuschen saß ein junger Mann mit ADFC-Kappe und hat Strichliste geführt.  

 

 

 

Nr. 3 / 12

Sonntag, 19.Februar 2012

ALLGÄUER WINTERIMPRESSIONEN

Das Gästehaus Babel in Pfronten-Oberried von der Brücke über die Vils aus gesehen. Eine gute Unterkunft für einen Winterurlaub wie auch für einen Sommerurlaub im Allgäu

Mühlenmuseum Bläsle-Mühle in Pfronten im Vilstal. Idylle pur. Von Kitsch keine Spur. Äußerst historisch

Das hier ist Axel "Knopf", der rasanteste Lokomotivführer im gesamten Allgäuer und Tiroler Alpenraum. Die Aufnahme entstand während der grenzüberschreitenden Eisenbahnfahrt von Pfronten im Allgäu nach Reutte in Tirol. Vor den unbeschrankten Bahnübergängen lässt Axel das Zugwarnsignal so laut und heftig ertönen, dass es bis rüber nach Südtirol zu hören ist. Fahrzeuge, die nicht rechtzeitig die Gleise verlassen haben, werden - so Axel - 50m weggeschoben. Manchmal kommt Axel mit einer Diesellok auch nach Bremen ins Instandhaltungswerk Sebaldsbrück. Die Fahrt dauert 4 Tage hin und zurück. Er geht dann immer beim Inder an der Osterholzer Heerstraße essen. Übrigens: die Züge da im Allgäu / in Tirol halten nur, wenn du rechtzeitig den "Haltewunschknopf" betätigt hast!

Schöne historische Bürger- und Handelshäuser in Reutte / Österreich. Sonst war der Ausflug nicht gerade der "Bringer". Nicht viel los in Tirol. Doch: eine Tiroler Trachtenkapelle kam gerade aus einem Brauhaus, in dem sie zum Fachingsremmidemmi aufgespielt hatten. Tiroler Hüte, kurze Lederhosen und rot-weiße Wadenwärmer. Im Cafe gegenüber vom Hotel zum Goldenen Hirschen nett zu Mitttag gegessen.

Ja, wir geben es ja zu, und wir schämen uns auch gar nicht dafür: wir waren oben beim Schloß Neuschwanstein. Nach einem kleinen Mittagsmal unten im von Asiaten besetzten Restaurant "Lisl", bestehend aus fränkischem, mit Silvanerwein verfeinertem gekochten Käse auf Landbrot und einem Allgäuer Käse-Wurst-Salat  machten wir uns auf den steilen Weg nach oben. Imposantes Gebäude, wird gerade außen renoviert. Drinnen waren wir nicht - nur mit Führung. Den Alpsee, wo der König baden ging, haben wir auch gesehen.

  Ja, weshalb sind wir da hoch gefahren? Bahnhof Pfronten-Steinach. Gondelbahn Breitenbergbahn. Seniorenkarten. Aus der Gondel heraus gute Sicht über das Allgäuer Land. Oben nix. Nur Schnee. Rein in die Almhütte. Flädlesuppe in Ordnung. Gebratener Leberkäse mit warmem Kartoffelsalat - eine Portion für drei Waldarbeiter, geschmacklich: Leberkäs wie Baumrinde, Kartoffelsalat aus dem Eimer! Schnell wieder runter und weg! 

Im Stadtcafe von Füssen

Großartig

7 von 7 möglichen Gummiadlern für Essen und Trinken

 

 

29/11

Sonntag, 02.Oktober 2011

DER HERR DES WASSERTURMS

 Bericht über die Expedition zum Künstler Manfred Willi Reichert, der in Visselhövede auf dem Areal der ehemaligen Honigfabrik  Sonnentau die Kunstausstellungen im Wasserturm organisiert

Wir lassen die ostfriesisch-japanischen Gartenumgestaltungsarbeiten in der Nachbarschaft, die mit enormen Steinstaubentwicklungen und Geräuschexplosionen verbunden sind, fluchtartig hinter uns und begeben uns auf eine Kurzreise in die ruhige und besinnliche Provinz Richtung Lüneburger Heide. Nicht um dort die lila-blühende Erika zu betrachten, so wie es wohl Heerscharen von nordrheinwestfälischen Rentnern zurzeit tun sollen, sondern um uns in Sachen „Provinzielle Kunst“ in Visselhövede schlau zu machen.

Wir, meine Fahrtbegleiterin und ich, nehmen uns vor, die Autobahnen zu meiden und schön gemütlich, wie früher mit der Kutsche, über die Dörfer in die Heide zu trödeln. Entdeckung der Langsamkeit. Wiederentdeckung von Kindheitsorten. So finden wir uns auf der guten, alten B75 wieder. Hinter der Stadtgrenze Bremens in Oytermühle / Bockhorst vorbei an dem kleinen Bauernhof, auf dem die ostpreußisch-sächsische Flüchtlingsfamilie 1945 Unterkunft fand, dann vorbei an der Flüchtlingsbehausung in Bassenergrund, wo der Fahrer des Fahrzeuges in den 50er-Jahren seine Kindheit verbrachte. Die Behausung sieht immer noch so aus wie damals –vermutlich müssen die heutigen Bewohner immer noch raus auf den Donnerbalken hinten bei den Pferden (früher: bei den Schweinen).Weiter nach Bassen. Vorbei am Sportplatz des TSV, wo wir das Fußballspielen gelernt haben. Die 1.Herren des TSV ist immer noch die virtuelle Lieblingsmannschaft des Vorbeifahrenden, Bezirksliga 3 Lüneburg, zuletzt 0:0 gegen Osterholz-Scharmbeck II, Platz 5 in der Tabelle. Wir hoffen auf den Aufstieg in die Landesliga, dann Durchmarsch in die Oberliga Niedersachsen, in der der nächste Sportplatz, den wir passieren, ja bereits spielt. Der TSV Ottersberg, zuletzt gegen Bückeburg 3:3, Platz 11. Wir verlassen den idyllischen Wümmeort Ottersberg, und weiter geht es bis Sottrum, wo wir die B75 verlassen und über Hellwege einen ländlichen Weg bis nach Visselhövede einschlagen wollen. Einen Abstecher zum Gestüt Fährhof verweigert meine Mitfahrerin. „Was soll ich mir Renn-Pferde auf der Weide anschauen. Wenn se nicht laufen, sind se doch uninteressant?“

Ab Hellwege wird es jetzt tatsächlich auf den ersten Blick ländlich-romantisch. Bis Wittorf reiht sich an der engen Eichenallee ein herausgeputztes Dorf an das andere. Ahausen, Eversen, Westerwalsede, Kirchwalsede, Weißenmoor, Lüdingen steht auf den Ortsschildern. Die Dörfer still, es ist Samstag nach 12 Uhr, die Menschen werden nach dem Mittagessen wohl schlafen – jedenfalls ist niemand draußen zu sehen. Die Vorgärten frisch für den Sonntag geharkt, die bäuerlichen Fahrzeuge auf den großen Höfen ordentlich abgestellt. Edeka hat bereits dicht, beim Friseur ist auch nichts mehr los. Und alles in den Durchfahrtdörfern in ein diffuses Licht zwischen Dunkel und Hell eingehüllt. Der Eichenbaumbestand in dieser Gegen ist überwältigend. Die Ortschaften schlummern im Schatten der Eichen dahin, nur hie und da ein Sonnenstrahl, der sich einen Weg durch die dichten Baumkronen freigestrahlt hat. Überall diese Ehrenmäler, das Reichskreuz oben drauf, frische Blumenkränze angelegt. Der Geruch des Aufmarsches des Kyffhäuserverbandes und des Schützenvereins und der Blasmusik hängt noch in der dörflichen Luft.

Mach‘ das Verdeck zu, so meine Fahrbegleiterin, wenn du eine Eichel auf den Kopp kriegst, dann kannst du davon totgehen. Wir fahren gemächlich die engen Eichenalleen entlang. Jugendlichen einheimischen Fahrzeugen wird unser Getrödel zu blöd, sie preschen auf der engen Überholspur mit 120 an uns vorbei. O Gott. O Gott, wenn jetzt man nur kein Hirsch aus dem Gebüsch auf die Straße springt, so meine Fahrassistentin. Auf der gesamten Strecke deutliche Warnhinweise: Wildwechsel, besonders starker Wildwechsel, Vorsicht Bocksprünge, Vorsicht besonders starke Hirschbrunft, Achtung: ländliches tierisches Paarungsverhalten usw.usw. Und dann fahren diese jungen ländlichen Böcke wie die Wildsäue an uns vorbei; wenn das man auf Dauer gut geht für die Wildsäue. Alles so schön grün hier! Wir schauen noch einmal genau hin, Ja, tatsächlich: alles so grün hier. Gab es hier nicht früher Getreidefelder, Kartoffelfelder, Rübenfelder, Spargelfelder, Gemüsefelder? Wo sind die hin? Wir sehen überwiegend grün und hellgelb. Nur noch endlose Maisfelder zu sehen. Die Ernte scheint in vollem Gange. Dicke, überdimensionale Traktoren mit noch dickeren, hohen Anhängern, von denen Maisschrot herunter weht, kreuzen oder blockieren hier und da die Eichenallee. Dann wird es klar: an manchen Orten unserer Landdurchfahrt erheben sich kleine runde grüne Moscheen. Biogas-Anlagen. Das sind wohl die neuen Heiligtümer der Niedersächsischen Landwirtschaft. Nix ist mit „alles so schön grün hier“ – die reine landwirtschaftliche Monokultur, versaute Landschaft im Grunde genommen, für uns Autofahrer. Obwohl wir kein Bio-Sprit oder Bio-Gas fahren – wir schämen uns kurzfristig dafür, dass wir Städter das Land so ruinieren.

Unsere Scham war dann aber im Kreisel zur Einfahrt in die Stadt Visselhövede wieder verschwunden. Wir fahren hinein in die City, 13.30 Uhr am Samstag. Tot. Bürgersteige hochgeklappt. Eine Vierergruppe Landjugend sitzt draußen vor dem Italienischen Eissalon. Die Holzkirche lädt die Atheisten in keiner Weise zum Besuch ein, die Läden dicht, nichts Einladendes, nichts Willkommenheißendes. Kein Brunnen, der plätschert. Kein Historisches Rathaus. Kein Herman-Löns-Denkmal. Keine Ausstellung: unsere Lüneburger Heide. Also machen wir uns unversehens auf den Weg zum Hof Sonnentau, dem Bio-Tagungshotel, wo wir auch Manfred Willi Reichert, den Herrn des Wasserturms, in dem Kunstausstellungen zu sehen sind, auf dem Hof Sonnentau treffen wollten.

Zuerst landen wir allerding im Innenhof des Restaurants im Seminarhotel Luisenhof, das unterhalb des Sonnentaus liegt. Dort bekommen wir nach der langen Reise ein gutes, kleines Mittagessen serviert, sitzen im Schatten, haben einen wunderbaren Blick nach oben zum Sonnentau, und wir haben vor uns eine Koppel, auf der vier elegante Pferde grasen. Siehste, so ich zu meiner Restaurantbegleiterin, da habe ich meine Pferde ja doch noch! Wie sich dann herausstellte, gehört alles zusammen. Luisenhof und Hof Sonnentau sind eine organisatorische Einheit. Gut – wir hätten oben im Bio-Restaurant essen können, das bei unserer Ankunft vom Parkplatz aus gar nicht sichtbar war. Aber so waren wir auch sehr zufrieden, uns im Schatten des Luisenhofes von den Strapazen der Reise etwas erholen zu können. Mit Panoramablick auf den Wasserturm und auf die stolzen Pferde auf der Koppel.

Dann endlich war es soweit. Nach einem kurzen Rundgang über das Gelände des Seminarhotels Sonnentau, bei dem wir uns des Eindruckes nicht erwehren konnten, dass hier irgendwie esoterische Sonnenanbeter, Hünengräberfetischisten und Tippibauer am Werke sind, trafen wir unvermittelt auf den Herrn des Wasserturms.

Er saß einfach dort hinten bei den alten Fachwerkhäusern der ehemaligen Honigfabrik und rief uns unser Erkennungswort zu: Wiedehopf! Ja Wiedehopf, das war das Erkennungszeichen – und schon machten wir uns bekannt und saßen eine Weile an diesem rustikalen Holztisch in der brennenden Sonne, so dass mir das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch entlang lief. Die Frage von Manfred Willi, ob der Platz genehm sei beantwortete ich natürlich höflicherweise mit: die Sonne macht mir nichts aus, sie wärmt schön, schließlich heißt das Gelände hier ja Sonnentau. Der Honig lief mir nur so herunter bis zu dem Zeitpunkt, wo wir uns entschlossen den Platz zu wechseln, um schattige Plätzchen in Manfred Willis kleinem Garten einzunehmen. Hier servierte er Kaffee in wunderbarem altmodischem Kaffeegeschirr, und wir erfuhren in einem netten Gespräch von Manfred Willi alles über die Geschichte der Honigfabrik, über die Seminareinrichtungen und natürlich alles über den Wasserturm, für den er als künstlerischer Leiter und Organisator verantwortlich ist. Eine interessante Geschichte über die Etablierung von Kunst in der Provinz mit allen Haken und Ösen. Auch Biografisches erfuhren wir von Willi. So waren wir doch erstaunt, dass er lange in Bremen und in Worpswede gearbeitet und gelebt hat, er eigentlich ursprünglich aus Oberbayern herkünftig ist, aber schon seit langer Zeit seine Wurzeln in Norddeutschland geschlagen hat. Dass er in Visselhövede gelandet ist, sei einer dieser Zufälle, wie sie im Leben eben häufig vorkommen. Ein wirkliches nettes Plauder-Stündchen im schattigen Garten. So ganz nebenbei ließ Manfred Willi noch verlauten, weshalb Menschen an Seminaren in Seminarhotels teilnehmen. Er hat Insiderkenntnisse, da er so manches Mal als Künstler eingeladen ist Kunst mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen zu veranstalten. Auch hat er von seinem kleinen Häuschen einen guten Einblick in das gegenüberliegende Bio-Restaurant, in dem sich dann die Seminaristen und Seminaristinnen treffen und kreuzen. Willi’s Einschätzung der Motive kann hier im Originalton aus Gründen des Presserechts nicht wiedergegeben werden. Im übersetzten Sinne kann in etwa Manfred Willi so interpretiert werden: es gehe den Seminarteilnehmern nicht vorrangig um die Inhalte der angebotenen Seminare, es gehe ihnen einzig und allein um die Suche nach Paarungspartnerinnen und Paarungspartnern. Es sei, so Manni Willi, schlimmer als bei den Hirschen und Rehen links und rechts der Eichenallee zwischen Sottrum und Wittorf!

Zum Schluss hatten wir Gelegenheit den Turm zu besteigen und eine kleine Ausstellung von Bildern des Malers Lutz Hölscher zu betrachten. Eine feine kleine Sammlung, die man sich beim Treppensteigen über 4 Etagen erobern muss. Kunst im Wasserturm, eine schöne Idee und ein schönes Konzept, dem man noch viele Besucher und viele Jahre wünscht. Von oben im Wasserturm betrachten wir am Ende unserer Ausfahrt in die Kunstprovinz noch einmal Manfred Willi Reichert, wie er versonnen unten am Holztisch sitzt und winkt und lächelt.

 

 

24/11

Sonntag 21.August 2011

WIR WOLLTEN KETCHUP UND DURCHBLICK

 

DURCHBLICK - SCHIFFSMELDUNGEN

 

In unseren neuen Redaktionsräumen werden wir besseren Durchblick haben. Wir werden dann östlich der aufgegangenen Sonne entgegensehen können und westlich der untergehenden nachsehen können. Vor dem östlichen Fenster auf der Straße stehend kann jetzt durch unsere Räume hindurch bis zum Neustädter Hafen geschaut werden, um zu prüfen, ob Schiffe da sind oder nicht. Von dieser Möglichkeit haben bereits jetzt während der Baustellenphase mehrere Besuchergruppen Gebrauch gemacht. Wir überlegen, ob wir nicht bei gutem Wetter die östlichen Fenster öffnen und Kaffee und kühle Erfrischungen anbieten. Einer unserer Nachbarn ist so fasziniert von dem Durchblick, dass er mehrmals am Tag sowohl östlich als auch westlich durchblickt. Wir mussten ihm da schon Grenzen aufzeigen und auf den Schutz unserer Redaktionsintimsphäre hinweisen.

 

 

BETRIEBSAUSFLUG NACH LANGEOOG, oder: Gerecht geht anders

Katharina, Hannah, Josef, Armin und ich hatten uns kurzfristig vor Ferienende entschieden,  selten gutes Sommerwetter am vergangenen Dienstag für einen Betriebsausflug nach Langeoog zu nutzen.  

Dort angekommen nach zweistündiger Autofahrt mit dem TomTom - nur einmal verfahren in Jever, Josef wollte sich unbedingt die Brauerei seines Lieblingsbieres von außen   anschauen- , und nach einstündiger Fahrt mit Schiff und Inselbahn mieteten wir sofort einen Bollerwagen, um unser umfangreiches Gepäck zum Strand zu transportieren. Und was passierte: Katharina und Hannah machten sich sofort breit im Bollerwagen nach dem Motto " es ist alles so anstrengend, wir können nicht mehr, bitte zieht uns". Josef und Armin, blöd wie sie sind, fielen auf dieses weibliche Täuschungsmanöver natürlich herein und zogen die Ladys rucksacktragend, in der einen Hand weiteres Gepäck und in der

anderen Hand die Deichsel des Bollerwagens, dünenbedingt bergauf bergab am alten Leuchtturm vorbei bis an den Strand. Ich persönlich war fein raus gepäckmäßig, da ich ja die wichtige Aufgabe der Fotodokumentation übernommen hatte. Und dann der Höhepunkt: wir mieten, am Strand angekommen, zwei Strandkörbe, den 388 und den 1579, die beide zusammenstehend vorne in der ersten Reihe am Wasser standen. Also zwei Strandkörbe für 5 Personen. Und bups: Katharina und Hannah okkupieren sofort den 388er und wehren jeden Versuch ab, obwohl sie beide die Dünnsten von uns allen sind, dort noch ein weiteres Teammitglied unterzubringen. Wir Männer riefen noch: unsozial, egoistisch, typisch Hannah und Katharina,  Sauerei - es nutzte nichts, wir drei zurückgebliebenen und nicht mehr ganz schlanken Männer (Armin mal ausgenommen) mussten uns den 1579er teilen. Armin als Sportredakteur verzichtete dann auch noch auf den Einzug in den 1579er und machte ersteinmal einen langen Strandmarathon bis zur Meyerei und zurück.   Und die Ladys, nachdem sie mit Schaufeln und Eimern vorne am Strand Kanäle gezogen hatten und mit Quallen gespielt hatten: wir haben Hunger, wer holt was? Und wieder typisch: Josef und ich los, Armin war noch nicht zurück. Über die Dünen rüber zum Fresszentrum des Strandabschnittes. Fischhalle. Wir gönnen uns ein wenig Erholung von den Ladys, essen ersteinmal vor, Matjes- und Krabbenbrötchen, dazu jeder 3 Jever und 3 Küstennebel. Dann schleppen wir zurück an den Strand: Fischfilet mit Kartoffelsalat und Pommes mit Mayo. Dort angekommen sitzen Katharina und Hannah in ihrer Trutzburg 388 und bemerken spöttisch: habt ihr euch verlaufen? Sie packen die Pommes aus und fangen sofort an zu heulen: wir wollten kein Mayo, wir wollten Ketchup. Toller Betriebsausflug. Armin kam erst kurz vor Abfahrt des letzten Schiffes von seinem Marathon zurück. Die Abendstimmung über dem Watt bei der Einfahrt in den Hafen von Bensersiel war schön.

Uli Pelz